Julia Extra Band 373
linkischer Teenager, der völlig unter der Knute seines überfürsorglichen Vaters gestanden hatte. Eine verwöhnte Prinzessin, die sich nie aus ihrem schwer bewachten goldenen Käfig herauswagen durfte.
Halten Sie sich von meiner Tochter fern, Ziakas.
Diese unausgesprochene Drohung hatte ihn damals gerade veranlasst, sich mit ihr zu unterhalten.
Allein der Gedanke an den Namen Antaxos genügte gewöhnlich, um ihm den Tag zu verderben. Und jetzt stand seine Tochter hier vor ihm in seinem Büro. Widerstrebend rief er sich ins Gedächtnis, dass die Tochter nicht für die Sünden des Vaters verantwortlich war.
„Warum sind Sie wie eine Nonne gekleidet?“
„Ich musste irgendwie am Wachpersonal meines Vaters vorbeikommen.“
„Das war bestimmt nicht leicht. Allerdings, wenn Ihr Vater sich nicht so viele Feinde machen würde, bräuchte er keine Armee, um sich beschützen zu lassen.“ Stefan stand auf und kam um den Schreibtisch herum. „Was führt Sie hierher?“
Er erinnerte sich nur noch daran, dass sie ihm damals leidgetan hatte … und das vor allem, weil ihm so selten jemand leidtat. Obwohl er fest daran glaubte, dass jeder selbst für sein Schicksal verantwortlich war, war er bei ihrem Anblick doch zu dem Schluss gelangt, dass es wohl kaum etwas Schlimmeres geben konnte, als die Tochter von Stavros Antaxos zu sein.
„Ich werde es Ihnen gleich erklären.“ Sie bückte sich und griff nach dem Saum der schwarzen Ordenstracht. „Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich vorher das hier ausziehe? Es ist wirklich sehr heiß darin.“
„Wo haben Sie die Tracht überhaupt her? Aus einem Kostümverleih?“
„Nein, ich bin bei den Nonnen auf Poulos, unserer Nachbarinsel, zur Schule gegangen, und sie haben mir immer sehr geholfen. Deshalb haben sie mir auch die Tracht geliehen, aber jetzt brauche ich sie nicht mehr, weil ich bei Ihnen sicher bin.“
Kaum eine Frau hätte wohl behauptet, ausgerechnet bei ihm sicher zu sein! Ungläubig sah Stefan zu, wie sie sich das lange Gewand über den Kopf streifte und sich dann das zerzauste, golden schimmernde Haar schüttelte. Unter der sittsamen Nonnentracht trug sie eine weiße Seidenbluse kombiniert mit einem eleganten schwarzen Bleistiftrock, der sich eng an lange, wohlgeformte Beine schmiegte, deren Anblick jeden Mann auf dumme Gedanken gebracht hätte.
Stefan jedenfalls musste den Blick buchstäblich von ihren Beinen losreißen und richtete ihn wieder auf ihr Gesicht in dem vergeblichen Versuch, etwas von dem Teenager vor fünf Jahren wiederzuerkennen. „Sie … sehen ganz anders aus.“
„Das hoffe ich. Hoffentlich wie eine Geschäftsfrau, denn das bin ich jetzt.“ Aus ihrer großen Umhängetasche zog sie die leichte schwarze Kostümjacke, die zu dem Rock gehörte. Dann strich sie sich mit beiden Händen das lange Haar nach hinten und steckte es sich mit wenigen Handgriffen hoch. „Vor fünf Jahren hatte ich noch Sommersprossen und eine Zahnspange und sah scheußlich aus.“
Jetzt sah sie jedenfalls nicht scheußlich aus. „Weiß Ihr Vater, dass Sie hier sind?“
Ihre Antwort bestand in einem übermütigen Lächeln, das seinen Blick auf ihre aufregend sinnlichen Lippen lenkte.
„Ihr Vater muss einige schlaflose Nächte haben.“ Vergeblich versuchte Stefan in ihr das Mädchen von damals auf der Yacht zu erkennen. „Ich … sollte Ihnen etwas zu trinken anbieten. Möchten Sie …“, er überlegte, was wohl angemessen war, „… ein Glas Milch?“
Selene strich sich einige lose Strähnen aus dem Gesicht, was ebenso natürlich wie verführerisch wirkte. „Ich bin doch nicht sechs! Bieten Sie Ihren Besuchern oft Milch an?“
„Nein, aber normalerweise empfange ich auch keine Minderjährigen in meinem Büro.“
„Ich bin nicht mehr minderjährig, sondern erwachsen.“
„Ja, das ist nicht zu übersehen.“ Was war mit der Klimaanlage los? Ihm wurde plötzlich unerklärlich heiß. „Also, wie wär’s, wenn Sie mir jetzt erzählen, warum Sie hier sind?“ Wenn sie ihren Vater ruinieren wollte, teilten sie vielleicht das gleiche Ziel.
„Ich möchte Ihnen einen geschäftlichen Vorschlag machen.“
Er schaute ihr in die großen grünen Augen, deren Blick so hoffnungsvoll auf ihm ruhte, und wurde von heftigem Verlangen gepackt. Ein Gefühl, ebenso magisch wie unmissverständlich … und natürlich völlig unangemessen unter den gegebenen Umständen. Denn abgesehen von ihrem veränderten Aussehen wirkte sie noch genauso unschuldig wie an jenem Abend auf
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