Julia Extra Band 374
großen blauen Augen aus nächster Nähe bewundern, ebenso wie ihre vollen Lippen. Sie hatte das dunkelblonde Haar zu einem unordentlichen Pferdeschwanz zusammengebunden, und er bemerkte die losen Strähnen in ihrem Nacken. Plötzlich musste er an das letzte Mal denken, als er mit ihr auf Augenhöhe gewesen war – in der Nacht auf dem Bett. Prompt wurde ihm heiß.
Das war kein gutes Zeichen, denn vor weniger als vier Tagen hatte er den Frauen abgeschworen.
Unvermittelt entzog er ihr seine Hand. „Ich habe in zwanzig Minuten eine Konferenzschaltung, auf die ich mich noch vorbereiten muss“, schwindelte er.
Sichtlich überrascht trat Jen einen Schritt zurück, den Blick immer noch auf seine Uhr gerichtet.
„Kein Problem. Ich wollte sowieso weggehen.“ Sie räumte die Teller in die Spülmaschine. „Können Sie mir ein Restaurant empfehlen, in dem ich zu Mittag essen kann?“, erkundigte sie sich mit dem Rücken zu ihm. „Ich möchte über diese Gegend recherchieren – welche Leute hier wohnen, was sie anziehen und so weiter.“
Alex zuckte die Schultern. „Das hängt davon ab, was Sie essen und wie viel Sie ausgeben wollen. Einige Restaurants sind ziemlich exklusiv und teuer.“
Als sie sich zu ihm umdrehte, huschte ein Schatten über ihr Gesicht.
„Ich wollte damit nicht andeuten, dass Sie dort fehl am Platz sind“, fügte er schnell hinzu und fragte sich, warum er sich Gedanken darüber machte, ob er sie gekränkt hatte.
„Warum verraten Sie mir nicht einfach, wo Sie hingehen würden?“
Er überlegte einen Moment. „La Brasserie“ , erwiderte er dann. „Gute französische Küche. Es ist sehr beliebt.“
„Toll, danke!“
„Danken Sie mir nicht zu früh. Vielleicht haben wir ja einen völlig unterschiedlichen Geschmack.“
Als sie den Raum verließ, redete Alex sich ein, dass der Anblick ihres Pos in den engen Jeans ihn kaltließ. Er musste eine Möglichkeit finden, sie loszuwerden.
Tatsächlich besaß das Restaurant so viel französisches Flair, dass Jen sich mitten in Paris wähnte, als sie es betrat. Die Lichterketten und das Tannengrün unterstrichen die gemütliche Atmosphäre. Als sie sich an einen Tisch in der Ecke setzte, kam sie zu dem Schluss, dass dies der ideale Ort war, um Leute zu beobachten.
Sie warf einen Blick in die Speisekarte und schluckte. Im Coffeeshop in Littleford zahlte man für alle Hauptgerichte nur einen Bruchteil der Preise hier. Allerdings hätten die Bewohner mit den Namen dieser Gerichte wohl kaum etwas anfangen können.
Als der Ober an ihren Tisch kam, bestellte sie nur einen Kaffee und ein pain au chocolat . Dabei verspürte sie leises Bedauern, weil sie sich nichts anderes leisten konnte. Sie brauchte mehr Geld, wenn sie öfter Restaurants wie dieses besuchen und so wirken wollte, als würde sie dorthin gehören. Die Gruppe junger Frauen am Tisch gegenüber vermittelte ihr den Eindruck, dass sie unsichtbar war. Sie brauchte unbedingt eine Designergarderobe.
Die Frauen sahen toll aus. Langes, natürlich fallendes Haar mit dezenten Highlights, perfekte Zähne, natürliches Make-up statt künstlicher Bräune. Edle Klamotten. Pelz schien das Must-have dieses Winters zu sein.
Dies war also die Welt, in der ihr Vater sich bewegte. Ihre Mutter und sie gehörten nicht mehr dazu, nachdem er sich ihrer vor vierundzwanzig Jahren entledigt und sie mit etwas Geld abgespeist hatte. Vermutlich hatte sie sich noch nie so sehr wie eine Außenseiterin gefühlt wie in diesen Moment. Sie kam sich langweilig und unscheinbar vor, und das Schlimmste war, dass es ihr zu schaffen machte.
Ging es in ihrem Artikel nicht eigentlich darum, diese Welt des Luxus aus dem Blickwinkel einer ganz normalen jungen Frau zu betrachten?
Jen war wütend auf sich selbst. Sie war Journalistin und sammelte Hintergrundinformationen für ihre Story. Deshalb hätte sie das Ganze amüsant finden müssen, statt sich minderwertig zu fühlen. Doch sie konnte die innere Stimme nicht ignorieren, die sie daran erinnerte, dass dies auch ihre Welt hätte sein können, wenn die Dinge sich anders entwickelt hätten.
Es wurde bereits dunkel, als Jen das Restaurant verließ, und die eisige Luft wehte ihr ins Gesicht. Trotzdem zwang sie sich, durch die Brompton Road zu bummeln. Als sie sich in den Chanel Store wagte und dort eine schwarze Tweedjacke vom Ständer nahm, spürte sie die Blicke der perfekt gestylten Verkäuferinnen auf sich. Der Preis verschlug ihr den Atem. Dafür hätte sie mindestens ihr
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