Julia Extra Band 375
wenn von ihm die Rede war?
„Wir haben uns immer sehr nahegestanden“, sagte sie schlicht. „Haben Sie Geschwister?“
Drakes Griff ums Lenkrad verstärkte sich. „Nein. Ich bin leider ein Einzelkind.“
„Das muss nicht zwangsläufig etwas Negatives bedeuten“, wandte Layla ein. „Vielleicht haben Ihre Eltern ja beschlossen, dass sie nur Sie wollten. Oder vielleicht konnten sie keine weiteren Kinder bekommen.“
„Keine Ahnung“, erwiderte er angespannt. „Ich habe nie danach gefragt.“
„Und es gibt keine Möglichkeit, das nachzuholen?“
„Nein. Meine Mutter hat uns verlassen, als ich gerade eingeschult wurde, und mein Vater starb, als ich sechzehn war.“
Drake wünschte, er hätte nicht ganz so bitter geklungen. Er spürte deutlich, dass Layla sich vor Unbehagen förmlich wand.
„Bitte verzeihen Sie meine Taktlosigkeit“, sagte sie nach einem kurzen angespannten Schweigen. „Aber ich hatte keine Ahnung von Ihrer Familiengeschichte.“
„Es ist lange her, und ich habe nicht das Bedürfnis, es in die Welt hinauszuposaunen.“ Seine Stimme war so rau wie Sandpapier. „Ich wäre Ihnen also dankbar, wenn Sie diese Information für sich behalten würden. Wie auch immer …“ Er warf ihr einen Seitenblick zu und registrierte betroffen den mitleidigen Ausdruck in ihren wunderschönen braunen Augen. „Ich bin jetzt ein großer Junge und komme auch ohne Eltern bestens zurecht.“
„Dann sind Sie aus härterem Holz geschnitzt als ich.“ In Laylas Stimme schwangen Traurigkeit und ein Hauch von Wehmut. „Ich war auch noch sehr jung, als ich meine Mum verlor. Sie hatte sich im Verlauf einer Grippe eine schwere Lungenentzündung zugezogen, von der sie sich nie wieder erholt hat. Und als ich ein Teenager war, starb auch mein Vater. Ich vermisse sie beide immer noch mehr, als ich sagen kann.“
Angesichts der geradezu erschreckenden Ähnlichkeit ihrer Verluste fragte Drake sich, welche Reaktion jetzt wohl angemessen wäre. Sollte er eine der üblichen Höflichkeitsfloskeln anbringen oder den Wagen irgendwo parken und Layla fest in die Arme nehmen? Der Drang, Letzteres zu tun, war überwältigend. Er lechzte danach, ihre samtige Haut und ihr seidiges Haar zu berühren. Sie zu küssen, bis dasselbe explosive Verlangen sie erbeben ließ, das auch ihn erfüllte …
Da sie jedoch schon fast ihr Ziel erreicht hatten, sagte er nur: „Es tut mir leid, dass Sie Ihre Eltern noch so vermissen. Aber das Leben geht weiter, und wir müssen versuchen, das Beste daraus zu machen, nicht wahr? Ich habe mich jedenfalls nie als Opfer meiner Umstände gesehen, egal wie schwierig oder herausfordernd es war, meine Probleme zu überwinden.“
Er lenkte den Rover auf das große Stück Brachland, das sie inzwischen erreicht hatten, und parkte ihn neben den Planierraupen und LKWs, die bereits dort standen.
„Da wären wir also …“ Drake stellte den Motor ab und betrachtete Layla prüfend. „Leider ist das Wetter ziemlich ungemütlich, aber ich würde trotzdem gern einen Rundgang mit Ihnen machen und Ihnen erklären, was wir hier planen. Sind Sie immer noch bereit?“
„Natürlich.“ Sie blickte aus dem Fenster und lächelte versonnen. „Als ich noch ein Kind war, gab es hier einen tollen Spielplatz. Mein Bruder und ich sind oft den weiten Weg von unserem Haus bis hierher gelaufen und kamen uns dabei wie verwegene Abenteurer vor. Erinnern Sie sich auch noch daran, Drake?“
„Ja, in der Tat.“
Seine eigenen Erinnerungen an die Spielanlage waren definitiv nicht so positiv wie Laylas. Er war zwar auch häufiger hier gewesen, aber er hatte nie Freundschaften geschlossen. Vermutlich waren alle Kinder in seinem Alter vor dem Jungen mit der durchgebrannten Mutter und dem ständig betrunkenen Vater gewarnt worden.
Entschlossen kehrte Drake in die Gegenwart zurück und lächelte seiner hübschen Begleiterin zu. „Wir müssen übrigens Schutzhelme tragen, das verlangen die Sicherheitsbestimmungen. Kommen Sie, ich habe einen Reservehelm für Sie im Kofferraum.“
Kaum hatte Layla den Wagen verlassen und den Fuß auf den lehmigen Boden gesetzt, schnitt ihr ein eisiger Windhauch ins Gesicht. Vor Kälte schaudernd, dachte sie über die Kompromisslosigkeit nach, mit der Drake seine traumatische Kindheit hinter sich gelassen hatte. Plötzlich verstand sie, warum ihm sein Erfolg so viel bedeutete. Es von diesem deprimierenden Niemandsland bis nach Mayfair zu schaffen, war eine große Leistung. Besonders wenn man in
Weitere Kostenlose Bücher