Julia Extra Band 375
dass Ihnen der Mantel nicht stünde. Er ist zugegebenermaßen noch ein bisschen legerer als der Rentierpullover gestern, aber …“
Sie spürte, wie ihre Haut noch heißer wurde, und wandte sich von ihm ab.
„Und du schimpfst mit mir, wenn ich mal ohne T-Shirt an die Tür gehe.“ Andrew kam barfuß und mit schweren Schritten die Treppe hinunter.
„Das ist mein Sohn Andrew“, sagte sie. „Andrew, das ist mein Boss, Charles Bishop.“
Andrew nickte Charles zu; ein Gruß, den Charles zu Liz’ Verwunderung genauso zurückgab. „Meinen Glückwunsch zum Spiel gestern.“
„Danke. Mom, wir müssen los. Ich hab dem Trainer gesagt, dass ich Viertel vor da bin.“
Er ermahnt mich? Das ist mal was Neues. „Andrews Mannschaft veranstaltet heute Morgen ein Pancake-Frühstück, um Geld für die Eissporthalle zu sammeln.“
„Ah richtig, das neue Dach. Dann will ich Sie nicht länger aufhalten. Sagen Sie mir nur, wo der Autoschlüssel ist, und dann bin ich schon weg.“
„Natürlich. Er liegt in der Küche auf der Anrich…“ Ihr kam eine Idee. „Wie sind Sie überhaupt hier hergekommen?“
„Mietwagen. Die Autovermietung hat ihn gestern am späten Abend vorbeigebracht.“
„Also werden Sie meine Fahrdienste nicht mehr in Anspruch nehmen müssen.“
„Nein, Sie sind nicht länger von meinem Terminplan abhängig.“
„Falls Sie noch nicht gefrühstückt haben, sind Sie herzlich zum Pancake-Frühstück eingeladen.“
Ihr war klar, dass es eine einfältige Idee war. Er hatte mit Sicherheit ein Dutzend anderer wichtigerer Dinge zu tun. Sie im Grunde auch. „Die meisten der Angestellten werden früher oder später auch dort auftauchen.“
„Es wäre also gut fürs Betriebsklima, wenn ich hinginge?“
„Das könnte man so sagen.“
Charles strich sich übers Kinn. Als er darüber nachdachte, erschien in seinen Augen ein merkwürdiger, beinahe dankbarer Ausdruck. „Es scheint eine gute Idee zu sein.“
Gegen ihren Willen begann ihr Puls zu rasen. „Wunderbar. Ich ziehe mich an, und dann fahren wir zusammen los.“
Wieder sagte keiner der beiden etwas. Liz strich mit den Zehen über den Teppichboden und wusste nicht, was sie tun sollte, außer schweigend zu lächeln. „Ich sollte mich anziehen“, sagte sie schließlich. „Macht es Ihnen etwas aus zu warten?“
„Nicht im Geringsten. Ich warte hier unten und wärme mich ein wenig auf.“ Zur Veranschaulichung rieb er die Hände gegeneinander.
Schon komisch, dachte Liz, als sie die Treppe hochging. Seit Charles hier ist, stört mich die Kälte überhaupt nicht mehr.
6. KAPITEL
„Deine Mutter hat gesagt, du wirst nächstes Jahr wahrscheinlich auf die Trenton Academy gehen.“
„Hm.“
„Eine gute Schule.“
„Ja.“
Es war ein Fehler, dachte Liz. Ihr Sohn war den ganzen Morgen über mürrisch und einsilbig gewesen.
„Das Eishockeyteam von Trenton spielt in einer höheren Liga als Gilmore“, erklärte sie und legte die Plastikgabel auf ihren Einwegteller. „Wenn Andrew auf die Trenton kommt, muss er zwar das erste Jahr wiederholen, aber dort sehen ihn viel mehr Leute und dadurch erhöhen sich seine Chancen auf ein Stipendium für eine Schule, die in der I. Division spielt.“
„Beeindruckend. Freust du dich darauf?“
Andrew zuckte mit den Schultern.
Oh ja, er bekommt später definitiv eine Lektion in Umgangsformen.
Trotz der frühen Stunde waren alle Tische in den Kellerräumen der Kirche besetzt. Es waren vor allem die Familien der Spieler, die gekommen waren. Die Spieler selbst liefen umher und füllten die Schüsseln und Teller auf dem Buffet auf oder schenkten Orangensaft aus. Die kühle Kellerluft roch nach Speck und Ahornsirup.
Und nach einem feinen Hauch von Zitrus-Duschbad. Liz war sich nicht sicher, ob sie Charles tatsächlich riechen konnte oder ob es ihre Vorstellungskraft war, die ihr die Sinne vernebelte. Doch jedes Mal, wenn er sich in seinem Stuhl nach hinten lehnte, hätte sie schwören können, den Duft wahrzunehmen. Wie kann ein Mann nur so gut riechen? Oder so früh am Morgen schon so gut aussehen? Selbst nachdem sie sich geschminkt und ihren besten Rollkragenpullover angezogen hatte, war sie sich sicher, immer noch müde auszusehen. Charles dagegen sah aus, als sei er gerade aus einem Hochglanzmagazin gestiegen.
„Natürlich braucht er gute Noten, um angenommen zu werden.“
Das erinnerte sie daran, dass sie Mr Rueben nächste Woche anrufen musste. Hoffentlich waren es keine schlechten Nachrichten.
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