Julia Extra Band 376
Auch wenn sie eigentlich nicht sein Typ war, faszinierte sie ihn immer mehr.
„Wie geht es Ihren Handgelenken?“, erkundigte sie sich.
„Viel besser. Ich komme inzwischen gut ohne die Schienen zurecht. Dank der Übungen, die Sie mir gezeigt haben, kann ich schon fast alle Bewegungen richtig ausführen.“ Wehmütig lächelnd sah er sie an. „Sie können sich nicht vorstellen, wie gern ich wieder selbst Auto fahren möchte!“
„Taxi fahren ist doch gar nicht so schlimm.“
„Haben Sie eine Ahnung! Normale Taxis mögen ja erträglich sein, aber wenn man von seinen kleinen Schwestern herumchauffiert wird, kommt man schnell an seine Schmerzgrenze. Vor allem, wenn besagte kleine Schwestern ununterbrochen an einem herumnörgeln.“
Serena lachte.
„Sie sollten Mitleid mit mir haben!“
„Habe ich.“ Sie grinste immer noch. „Aber ich stelle mir gerade vor, wie Sie von einer Frau herumkommandiert werden.“
„Von meinen Schwestern“, korrigierte er. „Und herumkommandieren ist noch untertrieben. Die älteste von ihnen ist Anwältin – und zwar die Furcht einflößendste, der ich je begegnet bin. Alice duldet nie – niemals – einen Widerspruch. Egal, worum es geht. Die mittlere, eine Architektin, droht ständig, mir mit Paketklebeband den Mund zuzukleben, sobald ich auch nur die leiseste Kritik an ihrem Fahrstil äußere. Dabei möchte ich doch nur, dass sie mein Auto heil lässt. Und die jüngste fängt an, Latein mit mir zu reden, sobald ich etwas sage, das ihr nicht passt.“
Wieder musste Serena lachen. „Ich bin mir sicher, dass Sie alle drei um den Finger wickeln können, wenn Sie es wollen.“
Da hatte sie recht. Genau das war Georges Masche bei Frauen. Er lullte sie mit seinem Charme ein, bis sie genau das taten, was er wollte.
Und in diesem Augenblick wollte er Serena!
Sie hatte einen wundervollen verführerischen Mund. In ihrem Gesicht war keine Spur von Make-up zu finden – was auch absolut nicht nötig war, denn sie besaß eine außergewöhnliche natürliche Schönheit. Nur zu gern hätte George ihre makellose Haut berührt, um festzustellen, ob sie tatsächlich so weich war, wie sie aussah. Und noch lieber hätte er sie geküsst, hätte diesen hübschen Mund, der ihn an eine Rosenknospe erinnerte, mit seinen Lippen berührt.
„Sie denken also, ich wäre ein oberflächlicher, manipulativer Frauenheld? Das verletzt mich.“ Mitleid heischend sah er sie an. „Wirklich, ich bin tief getroffen.“
„Sicher. Das sieht man.“ Das amüsierte Funkeln blitzte wieder in ihren Augen.
„Ja, ehrlich!“ Er konnte der Versuchung nicht widerstehen. „Und da Sie diejenige sind, die dafür gesorgt hat, dass ich mich so schlecht fühle, sollten Sie jetzt irgendetwas tun, damit es mir besser geht …“
Ihr Lächeln hätte nicht unverbindlicher sein können. „Tut mir leid, Mr Somers, aber das gehört nicht zu meinen Aufgaben.“
In Sekundenschnelle war sie professionell und förmlich geworden. Warum hatte er auch gleich so übertrieben? Zeit für den Rückzug. „Entschuldigen Sie bitte, Dr. James, ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten.“
Serena ging sämtliche Übungen noch einmal mit ihm durch, und George konzentrierte sich darauf, alles richtig zu machen.
„Gut. Ich denke, das reicht für heute“, erklärte sie schließlich.
„Sehe ich Sie am Donnerstag? Oder schicken Sie mich etwa zum brutalen Bruno, um sich dafür zu rächen, dass ich heute etwas frech war?“
„Bruno ist sanft wie ein Lamm“, protestierte Serena.
„Da muss ich leider widersprechen“, sagte George, der sich noch deutlich an Brunos qualvolle Therapiestunden erinnerte. Damals hatte er noch im Krankenhaus gelegen, und seine Schmerzen waren unerträglich gewesen, nachdem die Wirkung der Medikamente nachgelassen hatte. Selbstverständlich hätte er das niemals zugegeben.
„Ach, Sie bedauernswerter Patient“, machte Serena sich über ihn lustig. „Ich sehe Sie dann am Donnerstag.“
Er würde sie am Donnerstag wiedersehen!
Seltsam, wie sehr diese Aussicht seine Laune verbesserte.
Serena lächelte immer noch, während sie ihre Notizen in die Krankenakte schrieb.
George Somers war wirklich attraktiv. Zu einer anderen Zeit und an einem anderen Ort wäre sie vielleicht auf seinen Flirtversuch eingegangen. Doch heute …
Sie konnte es sich nicht leisten, unprofessionell zu sein. Dieser Job war wichtig für sie. Überlebenswichtig. Und eine Affäre mit einem Patienten – so harmlos sie auch sein
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