Julia Extra Band 376
Vanessa bald herausgefunden, dass er seinem Vater viel ähnlicher war, als sie vermutet hatte. Manchmal fand sie ihn anstrengend. Andererseits war er jedoch sehr intelligent, er besaß einen wachen Verstand und einen trockenen Humor. Seine Abneigung gegen sie schien mittlerweile nachgelassen zu haben. Außerdem mochte er Mia.
„Sie möchten wahrscheinlich nicht darüber reden“, sagte Marcus in einem Tonfall, als wolle sie etwas verheimlichen.
Ihr Verhältnis zu Gabriel ging Marcus eigentlich nichts an. Doch wenn sie ihm nicht antwortete, musste es so aussehen, als hätte sie etwas zu verbergen. „Meine Beziehung zu Gabriel ist … kompliziert.“
„Was kann daran kompliziert sein? Sie lieben ihn doch, oder nicht?“
„Ja, natürlich, ich liebe ihn. Auf eine gewisse Weise. Ich bin nur nicht sicher, ob ich wirklich in ihn verliebt bin.“
„Und was ist da der Unterschied?“
Wusste er das wirklich nicht? Oder wollte er nur, dass sie sich um Kopf und Kragen redete? „Ihr Vater ist ein wirklich bewundernswerter Mensch. Er ist klug und liebenswürdig. Ich liebe ihn wie einen Freund, und ich möchte, dass er glücklich ist. Und mich zu heiraten, würde ihn glücklich machen. Zumindest hat er das gesagt. Außerdem möchte ich nicht, dass Mia ohne Vater aufwächst.“
„Aber?“ Marcus streckte seine langen muskulösen Beine aus.
„Aber ich will auch, dass ich glücklich bin.“
„Und mein Vater macht Sie nicht glücklich?“
„Doch, schon, aber …“ Vanessa stöhnte. Es ließ sich also nicht vermeiden. „Was meinen Sie, wie weit man vor der Ehe gehen sollte?“
Ohne zu zögern, erwiderte er: „Nun, es gibt moralische Grenzen.“
„Dann wollen Sie also sagen, es sei nur für ihren Vater unmoralisch, vor der Ehe Sex zu haben? Und Sie dürfen?“
„Mein Vater gehört zu einer anderen Generation. Er denkt anders.“
„Ich finde, zwei Menschen sollten wissen, ob sie auch im Bett harmonieren, ehe sie sich in eine Ehe stürzen. Seien wir einmal ehrlich: Sex ist ein wichtiger Bestandteil jeder Beziehung. Meinen Sie nicht?“
„Doch.“
„Gabriel hingegen ist sehr altmodisch. Noch nicht einmal ein Kuss kommt infrage, bevor wir offiziell verlobt sind. Und Sex vor der Ehe ist für ihn ein absolutes Tabu.“
„Ich soll also ernsthaft glauben, Sie und mein Vater hätten noch nie …“ Er schien sich nicht überwinden zu können, es auszusprechen.
Vanessa war amüsiert. „Überrascht Sie das wirklich? Ich weiß nicht, warum ich Ihnen all das erzähle. An Ihrer Meinung über mich wird es ja ohnehin nichts ändern. Im Grunde sollte es mir egal sein, ob Sie mich mögen, aber leider ist es das nicht. Ich weiß nicht, warum.“
Marcus schien verunsichert zu sein. „Es stimmt nicht, dass ich Sie nicht mag.“
„Aber Sie vertrauen mir nicht. Zu Recht, schließlich vertraue ich Ihnen ebenso wenig.“
Marcus lachte nur, was Vanessa verwirrte.
„Finden Sie das etwa lustig?“
„Was ich lustig finde, ist, dass Sie es mir so direkt ins Gesicht sagen. Halten Sie sich mit ihrer Meinung eigentlich nie zurück?“
„Doch, manchmal.“ Beispielsweise hatte sie ihm noch nicht gesagt, wie sexy sein Po war. Oder wie schön sein kurzärmliges weißes Hemd seine sonnengebräunte Haut zur Geltung brachte. Und sie verriet ihm auch nicht, wie sehr der Bartschatten an seinem Kinn sie verlockte, sanft darüber zu streicheln. Oder wie der Schwung seiner Lippen bei ihr die Begierde weckte …
Nein, sie wollte nicht mehr daran denken. „Früher hat mein Vater mich nie ernst genommen. Er hatte eine Art, bei der ich mich immer klein und dumm gefühlt habe. Heute sage ich, was mir durch den Kopf geht, und ich bin eigentlich auch ganz zufrieden mit mir. Mein Leben ist vielleicht nicht perfekt, und ich habe noch immer Angst, Fehler zu machen.“
„Sie sind eine sehr schöne Frau, und mein Vater scheint wirklich verrückt nach Ihnen zu sein. Es dürfte Sie nicht allzu viel Anstrengung kosten, damit er seine Prinzipien vergisst.“
Schlug er ihr etwa vor, Gabriel zu verführen? Und warum durchlief sie ein kleiner Glücksschauer, als Marcus sagte, sie sei schön? Weshalb war ihr seine Meinung wichtig? „Das würde ich nie tun. Dafür bedeutet er mir viel zu viel.“
Mia begann zu jammern, und Vanessa nutzte die Gelegenheit, um dieses merkwürdige und absolut unpassende Gespräch zu beenden. Ganz egal, was sie tat oder sagte: Ihr Verhältnis zu Marcus schien immer komplizierter zu werden.
„Ich muss mit Mia in den
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