Julia Festival Band 0103
glücklich war. Wie konnte sie nur so gemein sein und sich darüber freuen, dass seine Ehe unglücklich gewesen war? Schuldbewusst las sie weiter.
Ich brauche Raum für mich, Ross, und kann mir lebhaft vorstellen, wie Du bei dieser, in deinen Augen abgedroschenen Phrase die Nase rümpfst. Aber ich kann nichts daran ändern – es ist die Wahrheit!
Ich gehe mit Julian nach Australien, weiß aber noch nicht, wie sich meine Beziehung zu ihm entwickeln wird. Auf alle Fälle werde ich mich von drüben melden.
Sag Katy bitte, dass ich sie zwar sehr lieb habe, diese unwiederbringliche Chance, mein Glück zu finden, aber nicht verspielen darf. Das wird Katy eines Tages sicherlich verstehen.
Deine Jane
Ihre Finger zitterten, als Ursula Ross den Brief entgegenhielt. „Nimm“, bat sie.
„Ich will ihn nicht!“
„Dann vernichte ihn, Ross! Oder möchtest du, dass Katy ihn liest?“
Er lachte zynisch. „Wozu? Um ihr zu zeigen, wie viel sie ihrer Mutter bedeutet?“
„Viele Väter würden ihrem Kind den Brief genau aus diesem Grund zeigen“, erwiderte sie ruhig.
„Wie bitte? Soll ich meine Tochter noch mehr verletzen, nur um ihr zu zeigen, was für eine Hexe meine Ehefrau ist?“ Feindselig funkelte er sie an. „Ich bin wütend und enttäuscht, ja, aber auf so ein Niveau lasse ich mich nicht hinab!“
Es hatte ganz den Anschein, als wollte Ross jetzt sie angreifen. Ursula ahnte jedoch, dass er ein Ventil für seine Wut und Verzweiflung brauchte, dass seine Aggressivität nichts mit ihr persönlich zu tun hatte. Deshalb blieb sie gefasst. „Das hätte ich dir auch nie zugetraut, Ross. Du bist ein guter Mensch und ein vorbildlicher Vater.“
„Woher willst denn ausgerechnet du das wissen?“, herrschte er sie an.
Ursula ließ sich nicht verunsichern und blickte ihn an, ohne mit der Wimper zu zucken. „Weil ich lange und eng genug mit dir zusammengearbeitet habe, um mir über deine Integrität ein Urteil erlauben zu können! Mir ist nicht entgangen, wie liebevoll du mit Katy umgehst und wie sehr sie an dir hängt.“
„Danke.“ Er schloss die Augen und wirkte plötzlich verzweifelt. „Aber ich bin kein Heiliger, Ursula, bilde dir das ja nicht ein!“
Sie musste schlucken. Hieß das, sie hatte sich getäuscht und er war nicht der Mensch, den sie in ihm gesehen hatte? Hieß das, sie hatte Ross idealisiert? „Willst du damit sagen, dass du Jane untreu gewesen bist?“, fragte sie heiser.
„Nein!“, antwortete er so nachdrücklich, dass sie ihm sofort glaubte. Dann musste er lächeln. „Vielleicht habe ich ab und zu Träume gehabt, die ich nicht hätte haben dürfen, mehr allerdings nicht.“
„Und Jane?“ Unwillkürlich hielt sie den Atem an.
„Jane und ich mögen uns schon seit längerer Zeit nichts mehr zu sagen gehabt haben, aber Hörner lasse ich mir nicht aufsetzen – schon lange nicht von der Mutter meines Kindes.“
„Wie kannst du dir dessen so sicher sein, Ross?“ Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, erschrak sie, weil sie so indiskret war.
Ross betrachtete sie nachdenklich. „Ich kenne Jane“, erwiderte er schließlich langsam. „Ich kenne ihre Stimmungen, ihre Körpersprache … Glaub mir, sie hat mich nie betrogen. Erst jetzt – und deshalb ist sie gegangen.“ Er schwieg einen Moment. „Sie kann mir nicht mehr in die Augen sehen, weil sie sich in einen anderen Mann verliebt hat. Dass es einmal so kommen würde, wusste ich schon lange. Ich brauchte nur zu warten.“
„Prallt das denn einfach so an dir ab?“ Ursula war fassungslos, denn er schien beinah froh darüber zu sein.
„Wenn die Liebe gestorben ist, kann man sie nicht wiederbeleben“, stellte er nüchtern fest. „Dennoch hätte Jane mit der Situation anders umgehen müssen. Sie hätte sich nicht vor der Verantwortung drücken und Katy einfach im Stich lassen dürfen.“
„Was hätte sie denn tun sollen?“ Sie war ratlos.
„Jane und ich sind immer ehrlich zueinander gewesen, und Jane weiß ganz genau, wie wichtig bedingungslose Offenheit für mich ist. Aber anstatt mit mir zu reden, hat sie stillschweigend ihre Ziele verfolgt. Sie hat sich einfach aus dem Staub gemacht und damit das letzte bisschen Harmonie zerstört, das uns noch geblieben war – und das hätte Katys wegen nicht geschehen dürfen.“
„Aber warum ist eure Ehe gescheitert, Ross? Habt ihr zu früh geheiratet?“
Ross schüttelte den Kopf. „Eigentlich nicht. Wir waren beide einundzwanzig und damit erwachsen.“
Ursula schluckte.
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