Julia Festival Band 0103
haben, er wäre erleichtert gewesen, seine Pflicht mir gegenüber erfüllt zu haben, und hätte sich daraufhin sofort verabschiedet. Mein Vater hatte bestimmt, dass ich studieren sollte, und mir auch schon einen Studienplatz besorgt. Ich selbst hatte schon immer ganz andere Vorstellungen gehabt, und plötzlich war niemand mehr da, dem ich Rechenschaft schuldig war. Erstaunt stellte ich fest, dass ich das erste Mal in meinem Leben frei war und tun und lassen konnte, was ich wollte.“
„Und dann sind Sie nach Afrika gegangen, wo es noch mehr Weite und Freiheit gibt und wo Sie durch nichts an die Vergangenheit erinnert wurden.“
Erstaunt sah er sie an. „Das haben Sie intuitiv ganz richtig erkannt!“
„Künstler haben auch ihre positiven Seiten“, gab sie schlagfertig zurück. „Sie zeichnen sich nicht nur durch Egoismus aus.“
„Habe ich Sie durch meine Bemerkung vorhin verletzt?“, wollte er wissen und dachte darüber nach, warum sie wohl nicht richtig zitiert hatte, denn „Leidenschaft“ hatte sie weggelassen.
„Durch die Wahrheit fühle ich mich nie verletzt“, behauptete sie.
Luke betrachtete sie aus halb geschlossenen Augen, was sie so nervös machte, dass ihre Hände zitterten, als sie zur Dampfdüse griff. Holly kniete sich wieder vor das silberfarbene Kleid. „Ich muss weitermachen“, entschuldigte sie sich.
„Ja, natürlich.“
Aber anstatt zu gehen, blieb Luke wie angewurzelt stehen. Holly trug heute einen geblümten, knöchellangen Rock aus dünnem Georgette, dazu ein knappes Top mit einer durchsichtigen Bluse darüber. Nicht, dass sie viel nackte Haut gezeigt hätte, aber das transparente Material wirkte so geheimnisvoll und verführerisch, dass es Lukes Blut in Wallung brachte.
Sein Mund war plötzlich wie ausgetrocknet, und seine Stimme klang heiser. Er musste schnell weg aus Hollys Nähe.
„Ich habe auch noch etwas zu erledigen“, erklärte er, drehte sich abrupt um und verschwand.
Obwohl Holly es sich nicht eingestehen wollte, fühlte sie sich durch Lukes Verhalten vor den Kopf gestoßen. Richtete sich sein brüskes Benehmen gegen sie, oder war er nur ärgerlich über sich selbst, weil er seiner Meinung nach ihr zu viel über sich erzählt hatte?
Die folgenden zwei Tage verbrachte Holly damit, anhand ihrer Checkliste die erforderlichen Kontakte zu knüpfen. Sie musste sich bei allen Firmen, die etwas mit Heiraten zu tun hatten, bekannt machen. Der Partyservice gehörte ebenso dazu wie Taxiunternehmen, Aussteuergeschäfte und Blumenläden.
Um sich nach einer geeigneten Floristin umzusehen, mit der sie in Zukunft exklusiv zusammenarbeiten konnte, fuhr sie nach Winchester. Sie begutachtete die Blumengeschäfte durchs Schaufenster, und in dem, das ihr am besten gefiel, fragte sie nach dem Inhaber. Ihr Gespür hatte Holly nicht getrogen: Es war eine Frau.
Michelle McCormack war klein, äußerst lebhaft und so um die dreißig. Sie hatte braune Augen und dunkles Haar, das im Nacken mit einer Schleife zusammengebunden war, die genau das Grün der Schürze hatte. Michelle hatte Fantasie und war begeisterungsfähig, und Holly und sie verstanden sich auf Anhieb.
Um Einzelheiten zu besprechen, zogen sie sich in Michelles Büro zurück, wo sie bei einer Tasse Tee über Fachzeitschriften brüteten und Brautsträuße diskutierten. „Ich werde Samstag eröffnen“, sagte Holly, „und brauche frische Blumen fürs Schaufenster und den Laden.“
„Darf ich auch ausgefallene Blumen und Farben kombinieren?“, wollte Michelle wissen.
„Sie dürfen alles, was Sie wollen.“ Holly lachte. „Es muss nur Klasse und Stil besitzen.“
Hochzufrieden mit diesem Besuch, machte sich Holly anschließend auf den Weg zum Winchester Echo . Sie hielt es für taktisch klüger, sich persönlich mit der Presse in Verbindung zu setzen, anstatt nur anzurufen.
Auch hier hatte sie wieder Glück, denn der zuständige Redakteur war jung und an ihrem Brautatelier sehr interessiert. Eifrig schrieb er mit, was Holly ihm berichtete.
„Sie haben das Startkapital für Ihre Selbstständigkeit also bei einem Wettbewerb gewonnen? Interessant. Und wo ist das Kleid jetzt, mit dem Sie den ersten Preis gewonnen haben?“
„Es wird in einer der nächsten Ausgaben eines bekannten Brautmagazins genau besprochen werden“, erklärte Holly stolz. „Bis dahin wollte ich es ursprünglich nicht öffentlich ausstellen. Aber ich habe es mir doch anders überlegt und präsentiere es jetzt zur Eröffnung meines Ateliers.
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