Julia Festival Band 0105
Attraktiv, wenn nicht sogar schön, so viel stand fest. Intelligent, schlagfertig, energiegeladen und sinnlich. Und äußerst anspruchsvoll, was alle Bereiche ihres Lebens betraf, einschließlich des Mannes, mit dem sie es teilte. Aber auch rücksichtslos, wenn es ihm nicht gelang, ihre Bedingungen zu erfüllen.
Chessie zuckte zusammen, als Miles sagte: „Sie sehen schon wieder so verloren aus. Ich glaube, wir sollten jetzt gehen.“
Während er an der Kasse die Rechnung beglich, ging Chessie hinaus in die Halle und betrachtete einige Aquarelle, die von einheimischen Künstlern hier ausgestellt wurden.
Auf einmal drang ein Duft in ihre Nase – halb vergessen und dennoch bedrohlich. Der Geruch eines schweren, süßen Parfüms und von Orienttabak zeigte, dass sie nicht mehr allein war. Und dass sie den Neuankömmling kannte.
Sie drehte sich mit einem höflichen Lächeln um, weil sie glaubte, einen Bekannten begrüßen zu können, und zuckte zusammen. Fassungslos schaute sie die Frau an, die im Durchgang zur Bar stand.
Das Bild war wirklich atemberaubend. Ein hautenges Kleid im Leopardenmuster umschmiegte die üppige Figur, eine schwarze Stola hing lässig über einem Arm. Veilchenblaue Augen unter dunkel getuschten Wimpern betrachteten Chessie geringschätzig von Kopf bis Fuß. Die vollen roten Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, das spöttisch und boshaft zugleich wirkte.
„Soso“, meinte Linnet Markham leise. „Wenn das nicht die kleine Francesca ist. Wer hätte das gedacht?“
„Lady Markham.“ Chessie atmete tief durch. „Linnet. Sie sind also zurück.“
„Tu nicht so überrascht. Die hiesige Gerüchteküche arbeitet sicher schon auf Hochtouren.“ Linnet kam näher. „Mich wundert allerdings, dass du noch immer hier bist. Ich hatte eigentlich erwartet, dass du woanders neu angefangen hättest – wo man dich nicht kennt.“
Chessie errötete. „Glücklicherweise sind nicht alle Ihrer Meinung. Außerdem musste ich meiner Schwester Sicherheit bieten.“
„Ach ja.“ Linnet nickte versonnen. „Die Schwester. Sie war die Hübsche, wenn ich mich nicht irre.“
„So ist es. Und obendrein ist sie klug. Man mag kaum glauben, dass wir miteinander verwandt sind. Ist Sir Robert bei Ihnen?“, fügte sie hinzu.
Linnets Lächeln wurde frostig. „Nein, er ist noch in London. Ich bin hergekommen, um die Arbeiten am Haus zu überwachen. Man kann sich nicht aufs Personal verlassen.“ Die verächtliche Geste galt der treuen Mrs. Cummings. „Ich bin in ein Hotel gezogen und schaue nur auf einen Drink hier vorbei – um der alten Zeiten willen.“
„Ich wusste gar nicht, dass Sie das Restaurant kennen.“
Linnet zuckte die Schultern. „Es war schon immer ein guter Ort, um Leute zu sehen und gesehen zu werden. Ich hätte allerdings gedacht, dass es über deinen finanziellen Möglichkeiten liegt.“ Sie musterte Chessies Rock und Bluse. „Oder arbeitest du hier als Kellnerin? Du hast keinen vernünftigen Beruf gelernt, oder? Und richtige Zeugnisse hast du auch nicht, weil du für deinen Vater gejobbt hast. Genauso wenig wie ein Dach über dem Kopf. Ich wette, Silvertrees House musste verkauft werden.“
Chessie hob trotzig das Kinn. „Ja, natürlich, aber zufälligerweise arbeite ich für den neuen Besitzer, und wir wohnen noch immer dort. Ich führe ihm den Haushalt und erledige die Schreibarbeiten.“
„Nun, das klingt nach einem recht bequemen Arrangement.“ Linnet schnurrte förmlich. „Du bist offenbar auf die Füße gefallen. Wer ist denn dieses Muster an Menschenfreundlichkeit, das sich deiner angenommen hat?“
Chessie zögerte. „Miles Hunter, der Kriminalschriftsteller.“
„Hunter? Der Bestsellerautor? Seine Bücher stehen in jedem Laden. Er muss ein Vermögen verdient haben.“
„Er ist sehr erfolgreich“, bestätigte Chessie widerstrebend.
„Und wie es scheint, ist er auch mildtätig gegenüber Witwen und Waisen.“ In Linnets zuckersüßem Tonfall schwang eine giftige Note mit.
Chessie zügelte ihr Temperament. „Er brauchte jemanden, der die Dinge für ihn regelt, und ich war verfügbar.“
„Davon bin ich überzeugt.“ Linnet lachte perlend. „Ich rate dir trotzdem, dich diesmal keinen albernen Illusionen hinzugeben. Keine kindischen Schwärmereien. Nicht jeder ist so verständnisvoll wie Alastair.“
Die Worte trafen Chessie wie eine Ohrfeige. Über Linnets Schulter hinweg sah sie Miles den Speisesaal verlassen. Er stützte sich auf seinen Stock, während er
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