Julia Festival Band 0105
hattest eine schreckliche Zeit. Und nun musst du hier wie eine Dienstbotin leben. Es ist sicher ein Albtraum für dich.“
„Du darfst Jennys herzzerreißende Geschichten nicht glauben. Die Situation hat auch Vorteile.“ Sie zögerte. „Ich habe vorhin deine Stiefmutter getroffen. Sie war auf einen Drink im White Hart.“
Sekundenlang herrschte Schweigen, dann nickte Alastair. „Ich dachte mir schon, dass sie herkommen würde. Dabei hatte ich gehofft, die Umbauten auf dem Anwesen ohne ihre Einmischung vornehmen zu können.“
„Umbauten?“
„Nichts Dramatisches.“ Er zuckte die Schultern. „Wir wollen ein paar Räume im Erdgeschoss des Westflügels umgestalten, indem wir Rampen und dergleichen installieren.“
„Ich verstehe nicht recht …“
„Hat Linnet dir nicht von meinem Vater erzählt?“
„Sie sagte lediglich, dass er noch in London sei.“
„Das stimmt“, bestätigte er mürrisch. „Sie hätte allerdings erwähnen können, dass er nach einem Schlaganfall in einer Privatklinik ist.“
Chessie erschrak. „O wie furchtbar, Alastair! Wann ist es passiert?“
„Vor ein paar Wochen, als sie noch in Spanien waren. Er wurde vor fünf Tagen nach England geflogen. Da er unter Lähmungserscheinungen leidet, wird er für eine Weile auf den Rollstuhl angewiesen sein. Sein Sprachvermögen ist ebenfalls beeinträchtigt, aber die Ärzte sind optimistisch. Sie meinen, mit der richtigen Pflege und Therapie wird er sich gut erholen. Ich hoffe, sie behalten recht“, fügte er hinzu.
„O nein.“ Chessie erinnerte sich an Sir Roberts stattliche, kraftvolle Gestalt, seine weit ausholenden Schritte und den Befehlston. Sie konnte ihn sich einfach nicht krank oder gebrechlich vorstellen. „Es tut mir so leid. In gewisser Weise ist es ein Glücksfall, dass du dich für den Job in London entschieden hast.“
„Mag sein.“ Er seufzte bitter.
„Warum hat Linnet mir nichts davon gesagt?“
„Wer kennt schon Linnets Motive? Schließlich ist es nichts, was man verschweigen könnte, sosehr sie es auch wünschen mag.“
„Vielleicht meint sie, dein Vater brauche Ruhe, wenn er herkommt, und deshalb will sie Besucher fernhalten“, überlegte sie laut.
„Du machst Witze! Sie betrachtet seinen Zustand als vorübergehende Unpässlichkeit. Ich wette, sie plant sogar, das Mittsommerfest wieder einzuführen, um ihre Rückkehr in glanzvolles Licht zu rücken.“
„Aber …“ Chessie verstummte. Es ging sie nichts an, wenn Linnet nicht begriff, wie unangemessen dies wäre.
„Es ist so schön, wieder hier zu sein“, flüsterte Alastair. „Zu wissen, dass wieder jemand an meiner Seite ist.“
Ich bin nicht in der Lage, Partei zu ergreifen, selbst wenn ich es wollte . Sie fühlte sich maßlos erleichtert, als Jenny sich geräuschvoll mit dem frischen Kaffee näherte. Der Abend war zu aufwühlend und zu verwirrend gewesen. Chessie brauchte Zeit und Raum zum Nachdenken und um die Ereignisse zu verarbeiten. Insbesondere Alastairs plötzliches Auftauchen.
Eigentlich sollte sie vor Freude außer sich sein. Stattdessen war sie einfach fassungslos.
Ihr Gespräch mit Jenny würde warten müssen, was vielleicht gar nicht so schlecht war. Es verschaffte ihr Zeit, sich vorzubereiten und vernünftige Argumente zurechtzulegen, statt mit der Tür ins Haus zu fallen, was schon in der Vergangenheit erfolglos gewesen war. Ich muss verständnisvoll sein, ermahnte sie sich im Stillen, und von Frau zu Frau mit ihr reden.
Doch was soll ich tun, wenn sie nicht zuhören will?, fragte sie sich unglücklich, während sie Kaffee trank, den sie eigentlich nicht wollte, und ihre Schwester mit Alastair plauderte.
„Ich habe die CD in meinem Zimmer“, erklärte Jenny gerade. „Ich werde sie holen, dann können wir sie hören, während wir den restlichen Wein trinken.“
„Das halte ich für keine gute Idee.“ Chessie fühlte sich wie eine strenge Großmutter. „Es ist schon spät. Alastair muss gehen. Du hast morgen Schule, und ich muss arbeiten.“
Jenny schmollte. „Verdammt, Chess, sei nicht so altmodisch. Sag dem Ungeheuer, dass du nach dem langweiligen Essen mit ihm eine Lebensmittelvergiftung hast und den Tag freinimmst. Begreifst du es denn nicht? Alastair ist zurück.“
„Das ist nett von dir, Kleines.“ Er lächelte sie an. „Aber Chessie hat recht. Morgen ist für uns alle ein Arbeitstag. Außerdem gibt es für uns noch viele Abende – jetzt, da ich wieder hier bin.“ Er legte seine Hand auf
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