Julia Festival Band 0105
Zeit, sind Sie verletzt? War das Tinker?“, fragte er besorgt.
Cally nickte. „Alles halb so schlimm. Es ist nur ein Kratzer.“
„Ich bin hier ganz in der Nähe zu Besuch. Bitte kommen Sie mit, damit ich die Hand desinfizieren kann. Und eine Tasse Tee nach dem Schreck wäre sicher auch angebracht.“
„Das ist wirklich nicht nötig.“
„Keine Widerrede. Außerdem fängt es gleich an zu regnen. Wir müssen sowieso Schutz suchen, bevor wir völlig durchnässt werden. Wir können über die Wiese hier gehen. Das ist eine Abkürzung. Ich bin übrigens Geoffrey Miller“, sagte er und öffnete das Gatter für Baz.
„Caroline Maitland.“ War das eine Freud’sche Fehlleistung, oder warum hatte sie sich mit ihrem Mädchennamen vorgestellt? „Übrigens kenne ich Tinker bereits. Er ist mal uneingeladen zu einem Picknick erschienen.“
Mr. Miller lachte verlegen. „Zwei Dingen kann er einfach nicht widerstehen: Essen und Kaninchen. Ab sofort wird er nicht mehr von der Leine gelassen.“
„Verbringen Sie Ihren Urlaub hier?“, fragte Cally, als die ersten Tropfen fielen.
„Nein, ich bin nur einige Wochen zu Besuch bei meiner Tochter. Ich will ihr zeigen, dass ich auch allein zurechtkomme. Sie soll sich nicht auch noch um mich Sorgen machen. In der letzten Zeit ist sie ständig zwischen zwei Krankenhäusern hin und her gependelt. Morgens hat sie mich besucht, am Nachmittag hat sie sich um ihren Mann gekümmert. Sie ist so tapfer und voller Hoffnung. Aber ich glaube, es ist alles vergeblich.“
„Oh.“ Das musste Cally erst einmal verdauen. „Ist er schwer krank?“
„Er liegt seit zwei Jahren im Koma. Damals hatte er einen schweren Verkehrsunfall. Untersuchungen haben ergeben, dass mein Schwiegersohn einen schweren Hirnschaden davongetragen hat. Aber meine Tochter gibt ihren Mann einfach nicht auf. Sie redet mit ihm, liest ihm vor und lässt ihn Musik hören. Doch er reagiert nicht.“ Mr. Miller seufzte schwer. „Es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, bevor das Beatmungsgerät ausgeschaltet wird.“
„Das ist ja schrecklich“, sagte Cally leise. Wenn Nick so daliegen würde, würde sie auch bei ihm wachen und auf ein Wunder hoffen.
„Wir haben es gleich geschafft“, sagte Mr. Miller, als er das nächste Gatter öffnete und die ersten Blitze über den Himmel zuckten. Auf der anderen Seite des Gatters befand sich eine schmale Straße.
Plötzlich wusste Cally genau, wo sie waren. Sie konnte nicht einen Schritt weiter gehen. Baz protestierte wiehernd, als sie abrupt stehen blieb.
„Da ist ja meine Tochter“, sagte Geoffrey Miller und winkte der an einer Gartenpforte stehenden Frau zu. „Alles in Ordnung, Vanessa“, rief er fröhlich. „Ich habe uns Besuch mitgebracht.“
In diesem Moment erschütterte ein heftiger Donnerschlag die Stille, und es begann, in Strömen zu regnen.
9. KAPITEL
Cally hätte einiges dafür gegeben, dieser schrecklichen Situation zu entgehen. Am liebsten hätte sie sich umgedreht und wäre auf Baz über Stock und Stein und hohe Hindernisse nach Hause geritten.
Es war wenig tröstlich zu beobachten, dass auch Vanessa Layton bestürzt war.
„Ich werde mich jetzt lieber auf den Heimweg machen“, sagte Cally, nachdem sie sich etwas gefangen hatte.
„Bei diesem Gewitter? Das kommt überhaupt nicht infrage“, widersprach Geoffrey Miller energisch. „Womöglich holen Sie sich eine Lungenentzündung.“ Er wandte sich seiner Tochter zu. „Das Pferd kann im Schuppen untergestellt werden. Was meinst du, mein Herz?“
Vanessa Layton, die sehr hübsch war, aber auch sehr traurig wirkte, sah erschrocken auf. „Natürlich, Dad. Würdest du Lady Tempest den Schuppen zeigen? Ich kümmere mich um Wasser.“
„Tempest?“, fragte er. „Ist das nicht der Name deines Vermieters, Vanessa?“ Er wandte sich Cally zu. „Ich dachte, Sie heißen Maitland.“
Verlegen erklärte sie: „Das ist mein Mädchenname. Ich habe mich noch nicht daran gewöhnt, verheiratet zu sein.“
Vanessa wandte sich mürrisch ab.
Der Schuppen wurde zur Lagerung von Kaminholz benutzt. Jedenfalls war er trocken, und Baz schien zufrieden zu sein.
„So, jetzt suche ich einen Verband für Ihre Hand, und dann mache ich uns einen Tee“, versprach Mr. Miller. „Kommen Sie ins Haus, wenn Sie hier fertig sind.“
Cally nickte ihm freundlich zu und lockerte Baz’ Sattelgurt. Im nächsten Moment tauchte Vanessa mit einem Schirm in der einen und einem Eimer Wasser in der anderen Hand auf.
Cally
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