Julia Festival Band 0105
Miles setzte sich an den Tisch. „Sei pünktlich um acht in der Halle.“
10. KAPITEL
Zu Chessies Enttäuschung sah das Kleid an ihr noch besser aus als in der Schachtel. Sie hatte gehofft, es würde entweder zu weit oder zu eng sein, aber es saß perfekt. Der lange Rock umspielte bei jedem Schritt ihre Beine.
Der einzige Nachteil bestand darin, dass der Schnitt keinen BH erlaubte. Obwohl diese Besonderheit einem unbefangenen Betrachter nicht aufgefallen wäre, machte sie der kühle Stoff auf ihrer nackten Haut verlegen, und sie war froh über die Jacke.
Sie verweilte einen Moment vor dem Spiegel. Das helle Kleid ließ sie fast wie eine Braut wirken. Ich gehe auf eine Party, wahrscheinlich für lange Zeit meine letzte, sagte sie sich. Sie wollte sich heute Abend amüsieren, egal, was es kostete. Nach einem letzten aufmunternden Blick auf ihr Spiegelbild ging sie hinaus.
Die Tür zu Jennys Zimmer stand offen. Es war verlassen, und eine Reihe ihrer Sachen, Bücher und CDs fehlte. Sie hat also ernst gemacht, dachte Chessie stirnrunzelnd.
Es war zwar noch nicht acht, aber Miles wartete bereits auf sie. Er trug ein weißes Dinnerjacket und eine schwarze Fliege – und sah einfach umwerfend gut aus.
Errötend blieb sie stehen, während er sie voller Bewunderung betrachtete. „Du bist sehr schön“, meinte er schließlich.
Der raue Unterton seiner Stimme verriet ihn. Prompt bekam Chessie Herzklopfen, und sie sehnte sich nach ihm. Es knisterte zwischen ihnen.
„Wir sollten aufbrechen“, erklärte er, und der Zauber, der Chessie sekundenlang gefangen gehalten hatte, löste sich auf.
„Ja.“
Inzwischen wusste sie, warum er weiterhin auf der Scheinverlobung bestand: Es war eine ausgezeichnete Tarnung, während Sandie um die Scheidung kämpfte.
Schweigend fuhren sie zur Party.
Das Zelt erstrahlte bereits im Schein unzähliger Lichter, und Musik drang zu ihnen herüber. Linnet wartete am Eingang des Zeltes und begrüßte die Gäste mit zuckersüßem Lächeln. Sie trug eine geradezu sündhaft verführerische Kreation aus schwarzem Satin, die knapp ihre Brüste bedeckte und ihre Figur wie eine zweite Haut umschloss.
„Miles, mein Lieber, da sind Sie ja endlich“, flötete Linnet. „Und Chessie … Nach all der Zeit sieht sie immer noch so jungfräulich aus. Wie süß und überraschend.“
Miles nahm Chessies Arm und zog sie mit sich fort, während sie noch nach einer passenden Antwort suchte. „Okay, sie ist die Oberhexe der westlichen Welt“, raunte er ihr zu. „Aber nimm ihre Worte als Kompliment. Ich bezweifle, dass man sie jemals so beschrieben hat.“
„Jedenfalls nicht in diesem Kleid.“ Chessie schäumte innerlich vor Wut. „Sie hat nicht nur auf den BH verzichtet, sondern auch auf alles andere, wie mir scheint.“
„Und was hast du sonst noch an, Liebling?“ Er strich mit der Hand aufreizend über ihre Hüfte. „Ein paar Zentimeter Spitze verleihen keine moralische Überlegenheit. Obwohl Spitzendessous durchaus verführerisch sein können – unter den richtigen Umständen.“ Er lächelte sie an. „Und nun lass uns Champagner trinken.“
„Ich wette, dich hat noch niemand ‚jungfräulich‘ oder ‚unschuldig‘ genannt“, beschwerte sie sich.
„Seit meinem fünfzehnten Lebensjahr nicht mehr“, räumte er belustigt ein. „Aber würdest du nicht auch lieber mit jemandem ins Bett gehen, der sich auskennt?“
Sie hatten die Bar erreicht. „Könnten wir bitte das Thema wechseln?“, fragte Chessie.
„Vorerst ja, aber nicht für immer.“
Warum sagte er solche Dinge, wenn er sie gar nicht meinte? Warum begnügte er sich nicht damit, den Schein nur in Gegenwart anderer zu wahren?
Der eisgekühlte Champagner war köstlich, und Chessie leerte ihr Glas viel zu schnell. Miles ließ ihr nachschenken, für sich selbst bestellte er jedoch Mineralwasser.
„Magst du keinen Champagner?“
„O doch“, versicherte er ihr. „Aber ich muss noch fahren, und außerdem will ich einen klaren Kopf behalten.“ Er zögerte. „Es riecht nach Ärger.“
Kopfschüttelnd schaute sie sich um. „Wie kommst du darauf?“
„Früher hatte ich böse Vorahnungen vor gewissen Aufträgen. Sie warnten mich, dass etwas nicht stimmte. So wie jetzt.“
„Hattest du sie auch vor dem … Unfall?“
„O ja.“
„Und du hast trotzdem weitergemacht?“
„Natürlich.“
„Das war entweder sehr mutig oder total verrückt“, meinte Chessie.
„Das eine schließt das andere nicht aus. Jemand versucht,
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