Julia Festival Band 05
unternehmen.
Ein Klopfen am Seitenfenster ließ sie heftig zusammenzucken. Sie wandte den Kopf und erblickte einen alten Mann unter einem schwarzen Regenschirm, der allerdings gegen das heftige Unwetter wenig auszurichten vermochte. Sie kurbelte das Fenster herunter, und er fragte: „Ist bei Ihnen alles in Ordnung, Miss?“
Er sah so zerbrechlich aus, als könnte der starke Wind ihn umpusten – oder ihn gar mit dem Schirm davontragen. „Mir geht es gut, aber Sie sollten nicht da draußen in der Kälte stehen.“
„Wenn wir hupen, kommt vielleicht jemand und lässt uns ins Haus. Meine Frau will, dass ich weiterfahre, aber ich glaube nicht, dass wir weit kämen.“
„Auf keinen Fall.“ Lucy öffnete die Tür. „Gehen Sie zurück zu Ihrer Frau. Ich sehe mal nach, ob jemand zu Hause ist.“
Sie schlitterte ein wenig, als sie ausstieg, und musste sich an der Tür festhalten. Eiskörner bombardierten ihren Kopf und glitten in den Kragen ihrer dünnen Lederjacke.
Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass der alte Mann wohlbehalten in sein Fahrzeug zurückgelangt war, bewegte Lucy sich vorsichtig in Richtung Tor. Der Kiesbelag bot etwas mehr Halt als eine glatte Oberfläche, war aber dennoch reichlich glatt. Zum Glück trug sie Wanderstiefel mit rutschfesten Sohlen. Sie hatte das Schuhwerk eher deshalb gewählt, weil es zu ihrem Outfit aus Jeans und dickem, handgestricktem Pullover passte, als in Erwartung einer winterlichen Wanderung, aber nun war sie froh darüber.
Wie sie erleichtert feststellte, war das Tor nicht verschlossen. Kälte drang durch ihre dünnen Autofahrerhandschuhe, als sie die Klinke herunterdrückte und das Tor so weit aufschob, dass sie durchrutschen konnte – rutschen im wahrsten Sinne des Wortes.
Ihr lockiges rotes Haar war nass und ihr Gesicht so kalt, dass es schmerzte. Vorsichtig erklomm sie die beiden steinernen Stufen, die zu einer überdachten Veranda führten. Mit zitternden Fingern drückte sie auf den Klingelknopf. Sie hörte eine Glocke durch das Haus hallen und betete, dass es nicht das Versteck eines Mörders sein möge.
Schließlich wurde die Tür geöffnet, und der attraktivste Mann, den Lucy je in natura gesehen hatte, stand vor ihr. Er war um die dreißig und hatte dichte, dunkle Haare, tiefblaue Augen, markante Gesichtszüge und einen umwerfenden Körper. Trotz der eiskalten Luft entfuhr ihr ein langer, anerkennender Seufzer.
Danke, lieber Weihnachtsmann, schoss es ihr durch den Kopf.
Vorsichtshalber blinzelte sie mit den vereisten Wimpern für den Fall, dass sie sich diese vollkommene Erscheinung nur einbildete. Aber nein. Er war weiterhin da und sah immer noch hinreißend aus, obwohl er eine abweisende Miene zur Schau trug.
„Was gibt es denn?“, fragte er, und seine tiefe Stimme war so reizvoll wie sein Gesicht – wenn auch ein wenig schroff.
„Wir können nicht mehr weiter“, erklärte sie und deutete zu den beiden Fahrzeugen in seiner Auffahrt. „Wir brauchen einen Unterschlupf.“
Finster blickte er auf den vereisten Boden. „Etwa fünfzehn Meilen weiter ist ein Motel.“
„Wir schaffen es keine fünfzehn Meilen mehr. Es ist gefährlich auf den Straßen, und das alte Ehepaar in dem Pick-up muss raus aus der Kälte. Sicherlich gestatten Sie und Ihre Familie uns, für eine Weile ins Haus zu kommen.“
„Keine Familie“, erwiderte er mürrisch. „Ich lebe allein.“
Lucy strich sich eine lange, tropfnasse Locke aus dem Gesicht und schenkte ihm ein freundliches Lächeln in der Hoffnung, auf diese Weise nicht gänzlich wie ein begossener Pudel auszusehen. „Wir würden Ihre Hilfe wirklich sehr zu schätzen wissen.“
Noch während sie sprach, schlitterte ein weiteres Auto, ein heller Viertürer, in die Auffahrt. Kies spritzte auf, als es nur wenige Zentimeter hinter der Stoßstange des Pick-ups zum Stehen kam. Die Innenbeleuchtung ging an, und Lucy sah, dass die Insassen eine Frau und zwei Kinder waren.
Der Mann an der Tür seufzte resigniert. „Na gut, Sie können alle reinkommen.“
Seine Einladung war keineswegs von überwältigendem Enthusiasmus, aber Lucy ließ sich nicht beirren. „Es wäre schön, wenn Sie uns helfen könnten. Der Boden ist so glatt wie eine Eisbahn, und das wird schwierig für die alten Leute und die Kinder.“
Er nickte verdrießlich. „Ich hole meinen Mantel. Sie können reinkommen, wenn Sie wollen. Sie sind nicht gerade passend gekleidet, um im Eisregen rumzulaufen.“
„Ich habe eine dicke Jacke im Kofferraum.
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