Julia Festival Band 05
ihr um Kopf und Schultern. „Ich hole die Koffer von der Ladefläche“, sagte er dann und griff nach der Gehhilfe.
„Lassen Sie nur alles liegen. Ich hole die Sachen gleich“, wandte Banner schnell ein. Er hatte die Befürchtung, der alte Mann könnte auf dem Eis stürzen. Auch ohne Last war der Weg schon gefährlich genug. „Kommen Sie einfach mit ins Haus.“
Die alte Frau erschauerte in seinen Armen, als der Wind noch mehr auffrischte, und Banner beugte sich instinktiv über sie, um sie zu schützen. Er fürchtete, dass sie sich eine Lungenentzündung holen und ihr Mann stürzen könnte. Umso erleichterter war er, als der Fernfahrer ihm auf halbem Weg entgegenkam und den alten Mann stützte.
Kaum war das Ehepaar im Warmen, eilten Banner und der Trucker wieder hinaus und holten das Gepäck sowie die Gehhilfe. Es war inzwischen völlig dunkel, und eine dicke Eisschicht bedeckte alles ringsumher. Durch die Wälder hallte das unheimliche Knacken von brechenden Ästen. Besorgt blickte Banner zu der Stromleitung hinauf. Es war vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis sie von einem herabfallenden Zweig niedergerissen wurde und sein Haus vom Elektrizitätsnetz abgeschnitten war. Zum Glück hatte er sich reichlich mit Brennholz, Kerzen und Batterien eingedeckt.
Als er schließlich seine Haustür vor dem Sturm verschloss, war Banner nass, durchgefroren, müde und schlecht gelaunt. Wenigstens waren keine weiteren Fahrzeuge eingetrudelt. Bestimmt war der Highway inzwischen unbefahrbar und von der Polizei gesperrt worden.
Er konnte nur hoffen, dass ein baldiger Temperaturanstieg es seinen ungebetenen Hausgästen ermöglichte, sich wieder auf den Weg zu machen.
In der Tür seines großen Wohnzimmers blieb er stehen und betrachtete hilflos das Chaos, das sich dort abspielte. Die junge Frau, die er als Elfe bezeichnete, hatte seinen Wäscheschrank gefunden und freizügig an alle Handtücher verteilt. Ihre Haare trockneten allmählich und lockten sich noch wilder um ihr Gesicht als vorher. Der rotgoldene Farbton passte zu dem Feuer, das in dem großen, steinernen Kamin prasselte.
Die Mutter und ihre Kinder standen dicht vor dem Kamin. Sie war eine mausartige Brünette durchschnittlicher Größe mit dunklen Ringen unter den braunen Augen und nervösen Händen. Banner schätzte sie auf Mitte dreißig, ein paar Jahre älter als er selbst. Sie frottierte gerade dem kleinen, etwa fünfjährigen Mädchen, das wie eine Miniaturausgabe von ihr aussah, die Haare.
Der Junge von etwa sieben Jahren stand in der Nähe und starrte fasziniert auf Banners enormen Hund. Der vielfarbige Mischling saß auf seinem Lieblingsläufer und musterte die Fremden mit seiner üblichen, schier unerschütterlichen Gelassenheit.
Der Fernfahrer hatte seinen Mantel abgelegt, aber seine überragende Statur wirkte kaum kleiner. Mit seinem breiten, bärtigen Gesicht und der tonnenförmigen Brust hätte er ebenso als Goldsucher in den Wilden Westen wie hinter das Steuer eines Trucks gepasst. Er rieb sich mit einem Handtuch über die buschigen, sandfarbenen Haare, bis sie ihm wild vom Kopf abstanden.
Die alte Frau kauerte unter einer dicken Decke, die ebenfalls aus Banners Wäscheschrank stammte, im Schaukelstuhl dicht am Kamin. Der Feuerschein flackerte über ihr runzliges Gesicht und betonte die zarten Züge, die noch immer schön waren. Ihre zerbrechliche Gestalt machte ihm nachträglich Angst. Was, wenn er sie fallen gelassen hätte oder gestolpert wäre?
Ihr Mann stand hinter ihr. Sein flaumiges weißes Haar war bereits getrocknet. Mit seinen knorrigen Händen tätschelte er seine Frau, wie um sich zu vergewissern, dass es ihr gut ging. Banner schätzte, dass beide gut über achtzig waren.
Was in aller Welt sollte er mit all diesen Leuten im Haus anfangen?
Lucy bemerkte, dass ihr Gastgeber ziemlich hilflos in der Tür stand. Sie konnte es ihm nicht verdenken. Dem behaglichen Feuer im Kamin, dem aufgeschlagenen Kriminalroman auf einem wuchtigen Sessel und einer inzwischen erkalteten Tasse Kaffee auf dem Couchtisch nach zu urteilen, hatte er sich gerade niedergelassen, um dem Sturm in beschaulicher Einsamkeit zu trotzen. Einsamkeit, abgesehen von seinem Hund – dem zotteligsten, buntesten, faulsten Köter, den Lucy je gesehen hatte.
Zumindest schien sich der Hund nicht an dem Besuch zu stören, was man von seinem Herrchen dagegen kaum behaupten konnte. Der zeigte eindeutig Symptome von Stress.
Jemand musste etwas tun, um ihn aufzuheitern. Da sie
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