Julia Festival Band 05
dem Eis lauerten. „Sind Sie sicher, dass nichts gebrochen ist? Vielleicht sollte ich mir die Verletzung mal ansehen.“
Banner räusperte sich.
Bobby Ray lachte laut auf. „Das glaube ich kaum. Mir sind nämlich die Füße weggerutscht, und ich bin voll auf … auf dem Hinterteil gelandet. Hab mir nur das Steißbein geprellt. Es tut höllisch weh, aber das wird schon wieder.“
„Sie sollten ein Schmerzmittel nehmen.“ Banner holte eine Tablettenschachtel aus einer Schublade, warf sie Bobby Ray zu und murmelte mit verschlossener Miene: „Ich gehe einen Ständer für den Baum bauen.“
Lucy ließ Bobby Ray in Joans Obhut und folgte Banner auf die Veranda. Die eisige Luft verschlug ihr den Atem. „Sie haben einen Baum gefunden?“
Banner nickte. „Eine kleine Zeder, die geschützt unter großen Bäumen stand. Sie steht drüben bei meiner Werkstatt.“
„Brauchen Sie Hilfe?“
„Nein. Sie scheinen die Dinge im Haus unter Kontrolle zu haben. Warum gehen Sie nicht wieder rein? Sie haben ja nicht mal einen Mantel an.“
„Ich fühle mich schuldig“, gestand sie ein. „Sie waren da draußen in der Kälte und haben einen Baum gesucht, den Sie gar nicht wollten, während ich drinnen im Warmen war und mit den Kindern Schmuck gebastelt habe, den Sie auch nicht wollten. Bobby Ray hat sich verletzt, und Sie …“
„Moment mal.“ Er legte ihr die Hände auf die Schultern und blickte ihr in die Augen. „Heute Morgen in der Küche waren die Kids der traurigste Anblick, der mir je untergekommen ist. Jetzt lachen sie und kommen in Weihnachtsstimmung, weil Sie eine schlaue Idee hatten. Sie haben überhaupt keinen Grund, sich schuldig zu fühlen.“
„Aber Bobby Ray …“
„Hat sich den Hintern gestoßen“, unterbrach er sie sofort. „Ich habe ihn fallen sehen und bin sicher, dass es nicht weiter schlimm ist. Und ich bin überzeugt, dass er riskieren würde, wieder hinzufallen, um die Kids glücklich zu machen. Er hat mir erzählt, dass er es schrecklich fand, sie so bedrückt zu sehen.“
Seine Worte beruhigten sie ein wenig, und obwohl es sie aufwühlte, Banner so nahe zu sein, hatte sie es nicht eilig, sich zu entfernen.
„Wenn Sie nicht wären, wüsste ich nicht, was ich mit den ganzen Leuten anfangen sollte. Die Kinder würden bestimmt heulen und alle anderen nerven, und es wäre ein schrecklicher Tag.“
„Danke, dass Sie das sagen.“
„Ich würde es nicht tun, wenn es mir nicht ernst wäre.“
Lucy lachte. „Glauben Sie mir, so viel habe ich inzwischen auch schon über Sie rausgekriegt.“
Er senkte den Blick zu ihrem Mund, und augenblicklich verging ihr das Lachen. Sie standen sich so nahe, dass ihr Atem zu einer einzigen weißen Wolke verschmolz, und das wirkte irgendwie unbehaglich intim.
„Ihnen ist kalt“, stellte Banner nach einer Weile fest. „Sie sollten reingehen.“
Seltsamerweise spürte sie überhaupt keine Kälte. Vielmehr war ihr an einigen Stellen recht warm.
Widerstrebend wich sie einen Schritt zurück, und Banner ließ die Hände sinken. Plötzlich spürte sie die Kälte wieder. „Sagen Sie mir Bescheid, wenn ich Ihnen helfen kann.“
Er nickte, steckte die Hände in die Manteltaschen und ging vorsichtig über das Eis zur Werkstatt.
Lucy blickte ihm einen Moment nach, bis die Kälte sie ins Haus trieb.
Die etwas schiefen Klänge von „Jingle Bells“ drangen aus dem Wohnzimmer in die Küche, während Lucy und Joan das Mittagessen zubereiteten. Wie sich herausgestellt hatte, sang Pop gut und gern, und besonders gern schmetterte er Weihnachtslieder. Bobby Ray hatte eine alte Gitarre hervorgezaubert, die er stets bei sich trug und nicht im Truck gelassen hatte, weil die feuchte Kälte dem Holz und den Saiten geschadet hätte. Seit über einer halben Stunde musizierten die beiden nun schon mit den Kindern.
„Pop ist wirklich süß“, bemerkte Joan. „Er erinnert mich an meinen Großvater.“
Lucy lächelte. „Das hat Bobby Ray auch gesagt.“
„Wirklich?“
„Ja. Er ist auch sehr nett. So lustig und so lieb zu Miss Annie und den Kids. Auch wenn er furchtbar schnarcht und keine Melodie halten kann. Aber die Gitarre spielt er echt gut.“
„Er wirkt nett“, bestätigte Joan zögernd. „Ich muss allerdings zugeben, dass ich zuerst ein bisschen Angst vor ihm hatte. Er ist so groß und behaart.“
„Wie Banners Hund“, murmelte Lucy.
Joan lächelte zaghaft. „Bobby Ray ist lauter. Ich habe von dem Hund noch keinen Ton gehört, seit wir hier
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