Julia Festival Band 05
müssen.“
Spontan versprach er: „Ich finde schon einen Baum für Sie.“
Hatte er sich wirklich erboten, draußen in der Eiseskälte herumzustolpern, einen Baum zu schlagen und sich dann den Kopf zu zerbrechen, wie er ihn im Haus aufstellen sollte? Lucys strahlendes Lächeln bestätigte ihm, dass dem so war, und er bereute es nicht mal.
„Was für einen Baum?“, hakte Bobby Ray nach, der gerade in die Küche kam.
„Die wollen einen Weihnachtsbaum“, erläuterte Banner.
„Nur, wenn es nicht zu viel Mühe macht“, relativierte Joan schüchtern.
Sie wirkte auf Banner unscheinbar und reizlos wie eine graue Maus – im Gegensatz zu Lucy, die Bobby Ray gerade mit Händen und Füßen erklärte, was für einen Baum sie sich vorstellte.
Der große Trucker nickte bedächtig. „Ums Haus herum stehen doch bestimmt ein paar kleinere Tannen, oder?“
„Ja. Aber es dürfte nicht so leicht sein, eine zu finden, die nicht total vereist ist.“
„Vielleicht eine, die von einem höheren Baum geschützt wird.“
„Das macht zu viele Umstände“, wandte Joan verlegen ein.
„Nicht, wenn es die Kids glücklich macht“, versicherte Bobby Ray.
Tränen stiegen ihr in die Augen. „Das ist sehr freundlich von Ihnen.“
Beide Männer waren entsetzt angesichts ihrer Tränen.
„Wir kümmern uns jetzt gleich um den Baum“, versprach Banner hastig. „Was brauchen Sie sonst noch?“
Lucy tippte sich erneut ans Kinn. „Vielleicht Popcorn für Ketten. Haben Sie zufällig Bastelsachen wie Glanzpapier, Kleber, Filzstifte?“
„Ich werde sehen, was sich machen lässt.“
„Danke, Banner!“, rief sie ihm nach, als er aus der Küche stürmte.
Am späten Vormittag hatte Lucy das Wohnzimmer in ein Atelier verwandelt. Banner hatte einen überraschend vielseitigen Vorrat an Materialien zur Verfügung gestellt – Buntpapier, Pappdeckel, Kleister, Röhrchen mit silbernen und goldenen Glitzersternen, Seidenbänder, Garn und Stoffreste in verschiedenen Farben, Knöpfe in allen erdenklichen Formen, Farben und Größen.
„Tischlereibedarf?“, hatte Lucy verwundert gefragt, als Banner mit dem riesigen Karton ins Wohnzimmer gekommen war.
„Mein Großonkel hatte die Sachen zur Beschäftigungstherapie für die Kinder seiner Freunde angeschafft – um zu verhindern, dass sie sich bei ihren Besuchen hier an seinem Werkzeug vergreifen. Ich habe diesen Karton nach meinem Einzug in einer Abstellkammer gefunden und mir gedacht, dass er eines Tages vielleicht nützlich sein könnte.“
„Sieht so aus, als ob jetzt ‚eines Tages‘ ist.“
„Anscheinend“, hatte er eingeräumt, mit einem vagen Zucken um die Mundwinkel, das sie inzwischen als Lächeln deutete.
Nun saß Joan mit den Kindern am Couchtisch, und sie bastelten eifrig Papierschlangen und anderen Schmuck für den Weihnachtsbaum, den Banner und Bobby Ray gerade im Wald suchten. Der Hund döste unter dem runden Eichentisch, offenbar erfreut über die reichliche Gesellschaft.
Miss Annie strickte zufrieden im Schaukelstuhl, und Pop fädelte Popcorn auf Angelschnüre. Seine Hände waren knorrig, aber er ging geschickt mit der Nadel um.
Lucy betrachtete die Szene mit einem Anflug von Stolz. Die Kinder lachten, und alle Erwachsenen wirkten zufrieden. Der köstliche Duft von Popcorn lag in der Luft, und die flackernden Kerzen in den dunklen Ecken sorgten für eine heimelige Stimmung.
Das war eine gute Idee von mir, dachte sie, während sie in die Küche ging, um sich eine Tasse Kaffee zu holen.
Plötzlich flog die Hintertür auf, und Banner trug Bobby Ray ins Haus.
Natürlich trug Banner den wesentlich größeren Mann nicht wirklich, aber er stützte ihn mit aller Kraft.
„Was ist passiert? Sind Sie verletzt?“, rief sie erschrocken.
Es war eine dumme Frage, da Bobby Ray mit schmerzverzerrter Miene zum nächsten Stuhl humpelte. „Ist nicht so schlimm“, antwortete er dennoch geduldig. „Ich bin nur ausgerutscht. Eine Prellung, nichts weiter.“
Joan, die Lucys Ausruf gehört hatte, kam in die Küche gelaufen. Nach einem Blick in die vor Kälte glühenden Gesichter der Männer eilte sie zu der Kaffeekanne auf dem Herd. „Sie sehen ja halb erfroren aus.“
Beide Männer zogen sich die Handschuhe aus und nahmen mit steifen Fingern die Becher mit dampfendem Kaffee entgegen, die Joan ihnen reichte.
Schuldbewusst nagte Lucy an der Unterlippe. Sie war so erpicht auf einen Weihnachtsbaum gewesen, dass sie nicht an die Gefahren gedacht hatte, die dort draußen auf
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