JULIA FESTIVAL Band 76
sehr sie sich beherrschen musste, um nicht die Fassung zu verlieren. „Ich weiß nur, dass sie zusammengebrochen ist. Man hat mir Fragen über ihren Gesundheitszustand gestellt. Ich konnte ihnen nur sagen, dass ihr nie etwas gefehlt hat. Sie ist kräftig und gesund, und, mein Gott, ich kann sie nicht auch noch verlieren!“
„Schon gut, Mom“, sagte das Mädchen und schlang die Arme um ihre Mutter. „Sie wird wieder gesund. Ganz sicher.“ Doch sie weinte, als sie das sagte, und die Jungen klammerten sich noch fester an die Frau, als auch ihr Tränen übers Gesicht liefen.
Jonathan wäre am liebsten davongelaufen. So viele Gefühlsausbrüche auf einmal konnte er nicht ertragen.
„Warten Sie, ich hole eine Schwester“, sagte er peinlich berührt und ging zum Ausgang.
Die Frau schüttelte den Kopf. „Nein, lassen Sie nur. Schon gut.“ Sie wischte sich die Tränen vom Gesicht und versuchte zu lächeln. „Es tut mir leid. Es ist nur … vor drei Jahren habe ich meinen Mann verloren, und hier im Krankenhaus kommt die Erinnerung daran wieder hoch.“
Jonathan starrte sie an. Cynthia hatte ihren Stiefvater erwähnt, und das bedeutete, dass diese Frau ihre Mutter war. Doch Mrs. Morgan sah kaum älter als fünfunddreißig aus, und Cynthia musste Mitte Zwanzig sein.
„Sie sind ihre Mutter?“, fragte er erstaunt.
Die Frau nickte. „Ich war noch ein Teenager, als ich sie bekam. Und das sind meine Kinder aus der Ehe mit Frank. Sagen Sie einfach Betsy zu mir.“
Sie zitterte immer heftiger, und nun weinten auch noch die Jungen. Jonathan hatte das Gefühl, auf einem sinkenden Schiff zu sein. Er nahm die Frau am Arm und führte sie und die Kinder zu den grünen Plastikstühlen. „Ich habe mit dem Arzt gesprochen. Dr. Howell heißt er. Erst vor wenigen Minuten hat man festgestellt, was ihr tatsächlich fehlt, und nun wird alles getan, was in der Macht der Ärzte steht.“
Betsy starrte ihn an. Er bemerkte, dass Cynthia den Mund und die Augenform von ihrer Mutter geerbt hatte, doch die Augenfarbe musste von ihrem Vater kommen. Sie war etwa zehn bis zwölf Zentimeter kleiner als Cynthia, und beide waren schlank und feminin.
„Was fehlt ihr denn?“, fragte Betsy.
Er zögerte, doch warum sollte er die Wahrheit zu verbergen? „Die Ärzte glauben, dass sie vergiftet wurde. Es war ein Unfall“, fügte er hastig hinzu. „Zumindest kann jetzt mit einer gezielten Therapie begonnen werden.“
„Ich halte das nicht mehr aus“, murmelte Betsy und schloss die Augen. „Nicht noch einmal.“
„Mommy?“ Einer der Jungen kuschelte sich fest an sie. Die kleine Familie rückte zusammen, und jeder schien Kraft und Trost vom anderen zu bekommen.
Jonathan fühlte sich wie ein Eindringling. Er stand auf und räusperte sich. „Nun, da Sie gekommen sind und nach Ihrer Tochter sehen, werde ich gehen.“
Betsy riss die Augen auf und starrte ihn an. „Sie verlassen uns?“
Die Jungen sahen ihn flehentlich an. „Sind Sie nicht Cynthias Freund?“
Jonathan trat unbehaglich einen Schritt vorwärts. „Ja natürlich, nur …“
Betsy gewann als Erste ihre Fassung zurück. „Natürlich verstehen wir Sie, Mr. Steele. Sie sind ein viel beschäftigter Mann. Es war sehr freundlich von Ihnen, dass Sie so lange bei Cynthia geblieben sind. Vielen Dank für Ihre Mühe. Machen Sie sich keine Sorgen um uns. Wir kommen schon zurecht.“
Er hätte am liebsten laut geschrien. Sie sahen überhaupt nicht so aus, als würden sie zurechtkommen. Es war mitten in der Nacht, und sie sahen furchtbar verstört aus. Er schob die Hände in die Hosentaschen seines Smokings.
„Ich gehe nur bis zum nächsten Kaffeeautomaten. Soll ich Ihnen eine Tasse mitbringen? Und wollt ihr Jungs auch etwas zu trinken? Kommt doch einfach mit und helft mir beim Tragen.“
Betsy Morgan lächelte ihn dankbar an. „Vielen Dank, Mr. Steele. Ich habe in der Zeitung gelesen, dass Sie ein sehr sympathischer Mann sind, und wie ich sehe, haben die Journalisten nicht übertrieben.“
„Sagen Sie Jonathan zu mir“, erwiderte er knapp und dachte, dass er sich selbst für alles andere als sympathisch hielt. In Wirklichkeit war er ein richtiger Mistkerl. Sie würden es schon noch selbst herausfinden. Alle standen um Cynthias Bett und warteten. Selbst Detective Stryker hielt sich auf dem Gang auf.
Es war Montagnachmittag, und Cynthia war schon seit sechsunddreißig Stunden ohne Bewusstsein. In den letzten Stunden jedoch hatten sich die Anzeichen gemehrt, dass sie bald
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