JULIA FESTIVAL Band 76
und stand auf.
„Feigling“, sagte Cynthia.
„Sagen wir besser, dass ich ein Gefühl für gutes Timing habe. Und jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt.“
5. KAPITEL
Es war schon fast elf Uhr morgens, als Cynthia am Freitag vor Jonathans Haus vorfuhr. Sie fragte sich, ob ihr altes, klappriges Auto aus lauter Respekt vor der beeindruckenden Backsteinfassade gleich den Geist aufgeben würde.
Das dreigeschossige Haus war groß und einschüchternd. Säulen säumten die fast zehn Meter breite Veranda. „Du hast viel Geld in deinem Stammbaum“, sagte Cynthia zu Colton, der fröhlich in seinem Babysitz krähte. Das Baby war überhaupt nicht beeindruckt.
„Du bist so niedlich“, sagte sie zu ihm und nahm ihn aus der Babyschale. Hinter ihnen fuhr ein Transporter, der alles geladen hatte, was ein Babyherz begehrte.
Cynthia hatte Jonathan nicht mehr seit seinem Besuch im Haus ihrer Mutter gesehen, jedoch oft mit ihm telefoniert. Am Abend zuvor hatte er ihr mitgeteilt, dass er mit der Besitzerin eines größeren Babycenters der Stadt vereinbart hatte, sich eine Stunde vor der regulären Öffnungszeit mit Cynthia zu treffen, damit sie alles einkaufen konnte, was ein Baby brauchte. Er hatte dem Babycenter bereits den Grundriss von Coltons zukünftigem Zimmer gefaxt, damit sie es sich besser vorstellen konnten. Cynthia war von seiner effizienten Arbeitsweise sehr beeindruckt.
Die Besitzerin hatte sich Punkt neun Uhr mit Cynthia und Colton getroffen. Jonathan hatte beiden Damen mitgeteilt, dass Geld keine Rolle spielte. Cynthia sollte kaufen, was sie für angebracht hielt.
Cynthia schritt mit Colton zur Eingangstür. „Dein Onkel vertraut voll und ganz auf meinen Geschmack“, sagte sie lachend zu dem Baby. „Ich glaube, Onkel Jonathan hatte furchtbar Angst davor, dass ich darauf bestehen könnte, dass er mich begleitet. Ja, der große, mächtige Onkel Jonathan fürchtet sich vor Babysachen.“
Sie kitzelte den kleinen Jungen unter dem Kinn, bis er vor Vergnügen jauchzte. Dann suchte sie die Türklingel.
Noch bevor sie klingeln konnte, wurde die breite hölzerne Haustür mit den Glaseinsätzen aufgerissen. Eine Frau Mitte Fünfzig, die ein schwarzes Kleid und eine weiße Schürze trug, klatschte begeistert in die Hände.
„Oh, endlich bringt mir Mr. Jonathan ein Baby ins Haus! Ich liege ihm schon seit Jahren damit in den Ohren, doch er hört einfach nicht auf mich. ‚Lucinda‘, sagt er, ‚ich bin nicht der Typ für ein Baby‘. Das mag ja sein, aber dann erinnere ich ihn daran, dass ich es sehr wohl bin!“
Die Frau – Jonathans Haushälterin, wie Cynthia annahm – hatte kurze schwarze Haare und schokoladenbraune Augen. Lachfalten säumten ihre Augen. Sie sah weich und pummelig aus, und Cynthia mochte sie auf den ersten Blick.
Lucinda streckte die Arme nach dem Kind aus, dann hielt sie inne und tippte sich an die Stirn. „Sie müssen mich für verrückt halten, weil ich Sie draußen vor der Türschwelle stehen lasse. Sie sind Cynthia, stimmt’s? Kommen Sie herein. Ich bin Lucinda, Mr. Jonathans Haushälterin. Nicht, dass es hier viel zu tun gibt. Der Mann arbeitet ja die ganze Zeit. Er isst kaum zu Hause. Ich gebe seine Sachen in die Reinigung. Was bleibt da noch viel für mich zu tun? Nachmittags sehe ich mir Serien im Fernsehen an. Ich sage ihm immer, er solle mir nicht so viel bezahlen, wenn ich die ganze Zeit vor dem Fernseher sitze. Aber glauben Sie, er würde auf mich hören?“
Cynthia ließ den Redefluss über sich ergehen. „Ja, ich bin Cynthia Morgan“, konnte sie kurz einwerfen. „Und das ist Colton, Jonathans Neffe. Ist er nicht niedlich?“
„So ein hübsches Baby“, sagte Lucinda. „Darf ich ihn einmal halten?“
„Natürlich. Er fremdelt überhaupt nicht. Ich habe sogar den Eindruck, dass er gern viele Menschen um sich hat. Dann steht er im Mittelpunkt.“
Lucinda nahm Colton in ihre Arme. „Hallo, mein Kleiner. Du siehst genau wie dein Onkel aus. Die gleichen dunklen Haare und die blauen Augen.“
Das Baby strahlte sie an, und Lucinda lächelte zurück. „Du wirst ein Herzensbrecher, das kann man jetzt schon sehen. Du wirst mich um deinen kleinen Finger wickeln, nicht wahr?“ Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder Cynthia und dem Transporter zu, der in der Auffahrt vorgefahren war.
„Mr. Jonathan hat mir schon gesagt, dass Sie alles für Colton besorgen würden.“ Widerstrebend gab sie Cynthia das Baby zurück. „Nachdem ich Sie hier herumgeführt habe, werde ich den
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