JULIA FESTIVAL Band 76
Und sein Vater hat einfach weggesehen. Mr. Jonathan arbeitete hart, er hat sich um die Firma verdient gemacht, aber der alte Steele hat es nicht einmal bemerkt. Nichts war ihm recht. Mr. Jonathan ist ein brillanter Geschäftsmann, aber glauben Sie, sein Vater hätte ihn auch nur ein einziges Mal gelobt? Nein. Niemals.“
Sie schwieg und presste die Lippen zusammen. „Mr. Jonathan liebt dieses Haus“, fuhr sie schließlich fort. „Und sein Vater wusste das. Trotzdem hat er es Mr. David vererbt. Ich konnte ihn nicht verstehen und war schrecklich wütend. Ich sagte Mr. David, dass ich nicht für ihn arbeiten wollte und kündigen würde. Immer Partys und Frauen – selbst, nachdem er geheiratet hatte.“ Ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. „Mr. David lachte mich nur aus und sagte, ich solle mir keine Sorgen machen. Er würde seinem Bruder das Haus verkaufen, sobald er der rechtmäßige Besitzer sei.“
Sie lehnte sich vor, und ihre Stimme wurde verschwörerisch. „Ich habe gehört, was Mr. David am Telefon mit seinem Anwalt besprach. Er hielt sein Versprechen, doch er verlangte das Doppelte von dem, was das Haus wert ist, von seinem Bruder. Und Mr. Jonathan hat es auch noch bezahlt. Weil er das Haus mehr liebt als sonst irgendetwas. Ich sagte ihm, dass ich mit Freude für ihn arbeiten würde, und er behielt mich.“
Cynthia wusste nicht, was sie sagen sollte. Alles war so verwirrend. „Ich hätte nicht geglaubt, dass so etwas zwischen Brüdern möglich ist.“
Lucinda nickte. „Ich weiß. Das ist schrecklich. Ich mochte Mr. David überhaupt nicht, aber Mr. Jonathan ist ganz anders. Manchmal glaube ich, dass er in seinem Innern sehr traurig ist. Sein Herz ist gebrochen. Ich sage ihm immer, dass er heiraten und Kinder haben muss. Dann würde es ihm besser gehen. Aber er behauptet, dass ich heillos romantisch bin.“
Sie zwinkerte schelmisch und verschwand, bevor Cynthia etwas sagen konnte.
Cynthia saß allein in ihrem Zimmer und dachte an Lucindas Worte. Es gab so viel Leid in Jonathans Vergangenheit. Kein Wunder, dass er sich gegen emotionale Bindungen wehrte. Wenn sie ihn ansah, stand ein starker Mann vor ihr, der furchtbar einsam war. Er tat ihr von Herzen leid.
Sie stand auf und ging in Coltons Zimmer. Cynthia ging hinein und beugte sich über die Wiege.
Das Baby war noch nicht ganz eingeschlafen. Der Kleine öffnete die Augen, strahlte Cynthia freudig an und wedelte mit den Armen, als wollte er sie auffordern, ihn hochzunehmen.
„Nein, keine Chance, junger Mann“, sagte Cynthia sanft. „Es ist Zeit für deinen Mittagsschlaf. Ich bin nur hereingekommen, weil ich dich den ganzen Morgen nicht gesehen habe und ich dein niedliches Gesicht sehen wollte.“
Sie strich ihm sanft über die weiche Wange. Er umklammerte einen ihrer Finger. Als sein Griff fester wurde, schloss sich ein Band um ihr Herz. Sie wusste, dass sie nun in Schwierigkeiten steckte. Schlimm genug, dass sie Gefühle für seinen Onkel entwickelt hatte. Noch schlimmer war es, das Kind in ihr Herz zu schließen. Wenn sie eines Tages gehen musste, würde es ihr das Herz brechen.
7. KAPITEL
Am darauf folgenden Mittwoch kam Jonathan schon um vier Uhr nachmittags nach Haus. Er redete sich ein, dass er es nicht aus einem schlechten Gewissen heraus tat. Schließlich hatte Cynthia ihm vorgeworfen, dass er sich nicht um Colton bemühen wollte. Unsinn. Wenn er sein Büro vorzeitig verlassen wollte, so konnte er es auch tun. Immerhin war er der Boss.
Doch als er in die große Garage fuhr, in der fünf Autos Platz hatten, wusste er, dass er sehr wohl von Cynthias Worten beeindruckt war. Er ging ins Haus und fragte sich, was er ihr sagen sollte.
Die Diele war ruhig und leer. Es lag schon viele Jahre zurück, seitdem Lachen und Stimmen den großen Raum erfüllt hatten. Doch gerade, als dieser Gedanke ihn traurig machte, hörte er ein Geräusch vom oberen Stockwerk.
Er ging die Treppen hinauf. Bald konnte er jemanden singen hören, begleitet von mehreren piepsigen Stimmen. Jonathan ging den Geräuschen nach und stellte fest, dass sie aus Coltons Zimmer kamen. Genauer gesagt, aus dem angrenzenden Bad. Cynthia stand vor dem langen Toilettentisch und hielt Colton fest, der in einer blauen Plastikbadewanne saß. Die hohen Stimmen tönten aus einem kleinen Kassettenrecorder und sangen Kinderlieder. Cynthia schien den Text gut zu kennen und sang mit.
Obwohl sie Jonathan den Rücken zudrehte, konnte er sie im Spiegel genau erkennen. Sie hatte
Weitere Kostenlose Bücher