Julia Festival Band 86
erwiderte sie brüsk, stand auf, nahm die Kaffeekanne und schüttete den Inhalt ins Spülbecken. „Du hattest recht. Noch einen Mundvoll Koffein, und ich fange an, Zuckungen zu kriegen.“
5. KAPITEL
„Annie …“
Sie drehte sich zu ihm um. „Es würde nicht funktionieren“, sagte sie. „Weder für dich noch für mich, noch für irgendjemand sonst.“
„Es würde doch niemand außer uns wissen.“
„Und was ist mit deiner Verlobten? Wie würdest du das Janet Pendleton erklären?“
Chase zog die Brauen zusammen. Noch eine Lüge, die sich gegen ihn kehrte. „Na ja … ich würde ihr eben sagen …“ Sein Blick begegnete dem von Annie. „Ich würde ihr genau dasselbe sagen, was du deinem Gänseblümchen-Poeten sagst.“
Annie errötete. „Du wusstest ja schon immer gut mit Worten umzugehen, Chase Cooper. Ich dachte, ich hätte dir bereits gesagt, dass Milton Professor am hiesigen College ist.“
„Er ist ein lahmer Schwächling, und ich wette, du nimmst an einem seiner idiotischen Kurse teil. Was ist es denn diesmal? ‚Wie man Englisch aus dem sechzehnten Jahrhundert in einer Welt des zwanzigsten Jahrhunderts spricht‘? ‚Fünfzig Arten, einfache Gedanken in völlige Konfusion zu stürzen‘?“
„Konfusion.“ Annie klimperte mit den Wimpern. „Ich bin beeindruckt.“
„Tja, ich nicht. Wie kannst du bloß so leichtgläubig sein? In bescheuerte Kurse zu gehen, abgehalten von Blödmännern, die zu viele Abkürzungen hinter ihrem Namen tragen.“
„Du hast doch selbst ’ne Menge Abkürzungen hinter deinem Namen, Mr. Cooper. Aber du bist selbstverständlich kein Blödmann.“
„Da liegst du verdammt richtig. Wenigstens habe ich nämlich ein paar anständige Schwielen an meinen Händen vorzuweisen. Ich weiß, was ehrliche Arbeit bedeutet.“
„Tut mir leid, Chase. ‚Ehrlich‘ trifft nach dem, was du dir heute unserer Tochter gegenüber geleistet hast, nicht mehr zu.“
„Hast du ihn so kennengelernt?“
„Wen?“
„Hoffman. Habe ich recht? Du hast einen seiner Kurse belegt?“
„Milton ist ein Shakespeare-Experte von ausgezeichnetem Ruf.“
„Worin? In der Verführung verheirateter Frauen?“
Annies Augen blitzten. „Erstens: Ich bin keine verheiratete Frau. Zweitens: Ja, ich habe an einem seiner Kurse teilgenommen, und ja, er schreibt Gedichte. Sehr schöne Gedichte, von denen ich sicher bin, dass sie deinen Horizont übersteigen. Leider, da ich ja weiß, wie sehr dich das enttäuschen wird, muss ich dir sagen, dass Milton nicht homosexuell ist.“
Chase kreuzte die Arme vor der Brust. „Ich nehme an, du sprichst aus Erfahrung.“ Unwillkürlich schnürte sich sein Magen zusammen.
Annie zögerte nur für den Bruchteil einer Sekunde. „Natürlich.“ Sie lächelte.
Chase presste die Kiefer aufeinander. Dies wäre der Moment für irgendeine kluge, ironische Bemerkung. Doch sein Kopf war leer. Nein, das stimmte nicht. Er war beherrscht von dem Bild Annies in Hoffmans Armen und davon, wie er, Chase, Hoffmans schmalem Intellektuellengesicht einen Kinnhaken verpasste …
„Wie schön für euch.“ Seine Stimme war kalt.
Annie warf den Kopf zurück. „Das finden wir auch.“
„Und wann ist der große Tag?“
Sie schluckte. „Der große …? Ach, du meinst die Hochzeit?“ Achselzuckend meinte sie: „Wir … äh … haben da noch kein genaues Datum festgesetzt. Und du?“
„Was ich?“
„Wann wollt Janet und du das Band der Ehe knüpfen?“
Band war richtig. Chase spürte förmlich, wie sich die Schlinge um seinen Hals festzog.
„Oh, bald.“
„Diesen Sommer?“
„Kommt darauf an. Ich habe da gerade dieses Projekt in Seattle, das demnächst begonnen werden soll.“
„Und das kommt natürlich an erster Stelle.“
„Das ist ein wichtiger Auftrag, Annie.“
„Oh, zweifellos. Und Janet versteht das sicher.“
„Ja, das tut sie. Sie weiß, dass man zwanzig Stunden am Tag schuften muss, um eine Firma, wie mein Vater sie mir hinterlassen hat, bis nach ganz oben zu bringen.“
„Besser sie als ich.“
„Da hast du verdammt recht!“
Verärgert starrten sie einander an, und beide erinnerten sich, wie froh sie waren, dass sie nicht mehr länger zusammenlebten.
Chase wandte sich ab. „Ich muss mein Flugzeug erreichen.“
„Na klar. Fahr du nur weg und kehr dem Schlamassel, den du verursacht hast, den Rücken.“
„Was zum Teufel soll ich deiner Meinung nach denn tun? Ich muss morgen Nachmittag zur Begutachtung eines geplanten Baugeländes in
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