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Julia Festival Band 86

Julia Festival Band 86

Titel: Julia Festival Band 86 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Marton
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ganze Zeit zu sagen versucht.“ Annie wedelte mit dem Umschlag vor seinem Gesicht herum, wurde jedoch blass, als ihr Exmann einen ebensolchen Umschlag aus seiner Jackentasche hervorzog.
    „Und ich habe ein neues gekauft“, erwiderte er. „Das war’s, was ich dir versucht habe zu sagen.“
    „Nein“, brachte Annie tonlos hervor.
    „Doch.“
    Annies Füße fühlten sich an, als seien sie am Fußboden festgenagelt. Chase umschloss ihren Ellbogen noch fester.
    „Sie werden unsere Namen lesen! Sie werden sehen, dass ich unmöglich …“
    Chase nahm Annie den Umschlag aus der Hand und holte hastig den Inhalt heraus.
    „Beeilung“, sagte die Beamtin, und gleich darauf fand Annie sich Seite an Seite mit Chase in einem Flugabteil erster Klasse in einer Boeing 747 wieder, die in einen strahlenden Morgen abhob.
    „Ich fasse es einfach nicht!“
    Seufzend stellte Chase seinen Sitz nach hinten und schloss die Augen. In seinem Kopf hämmerte es wie mit tausend Meißeln.
    „Annie. Das hast du jetzt bestimmt schon zum hundertsten Mal gesagt. Tu uns beiden einen Gefallen, ja? Lass es endlich gut sein.“
    „Ich fasse es nicht, dass du uns in diesen unerhörten Schlamassel gestürzt hast! Und da liegst du seelenruhig da, machst die Augen zu, entspannst dich und tust so, als sei gar nichts weiter Ungewöhnliches passiert!“
    Chase umklammerte mit beiden Händen seine Sessellehnen, schwieg jedoch.
    „Aber macht dir das irgendetwas aus? Nein. Nicht das Geringste. Nein, Sir, nicht Mr. Chase Cooper. Kühl wie ein Eisschrank. Sitzt da, die Ruhe selbst!“
    „Glaub mir, Annie, ich mache mir ebensolche Sorgen wie du.“ Sein Tonfall war resigniert.
    „Tust du nicht“, erklärte sie kategorisch. „Sonst hättest du nichts essen können. Aber du hast ja bei deinem Essen so zugelangt wie ein Verhungernder an einem Bankett.“
    „Allerdings. Ich war hungrig. Ich habe nämlich nichts gegessen, seit der Partyservice mir zartgekochtes Schuhleder und dieses glitschige Fliegenpilz-Zeug beim Hochzeitsbuffet zugemutet hat.“
    „Schuhleder? Fliegenpilz?“ Annie bebte vor Empörung. „Das zeigt mal wieder, dass du von nichts eine Ahnung hast.“
    Chase sah sie an. Er wollte etwas erwidern, besann sich jedoch eines Besseren. Zum Henker, sie hat ja recht, dachte er müde. Was weiß ich schon? Ich habe es ja nicht einmal geschafft, meine eigene Ehe zu retten. Und jetzt versuche ausgerechnet ich, die meiner Tochter zu retten. Darin lag schon eine gewisse Ironie.
    Er lehnte den Kopf zurück und ließ Annies Schimpftirade über sich ergehen. Chase war zu müde, um sich mit ihr herumzustreiten oder ihr auch nur zu antworten. Er hatte sich nicht mehr so erschöpft gefühlt seit jenen ersten Jahren ihrer gemeinsamen Ehe, als er tagsüber gearbeitet und abends Kurse in Finanzwesen, Verwaltung und anderen Fächern gemacht hatte, von denen er meinte, dass sie ihm dabei helfen könnten, sein Geschäft zu etwas aufzubauen, worauf er und Annie stolz sein konnten.
    Noch immer konnte er sich deutlich daran erinnern, wie er abends spät nach Hause gekommen war, zu müde, um noch geradeaus zu schauen, aber nie zu müde, um mit Annie zusammen zu sein, am Küchentisch mit ihr über Gott und die Welt zu reden oder in ihren Armen zu liegen.
    Wann hatte es angefangen, dass alles schiefgelaufen war? Wieder und wieder hatte Chase sich bemüht, dies herauszufinden, aber es hatte keinen speziellen Tag oder besonderen Anlass gegeben. Die Dinge zwischen ihnen hatten sich verändert, langsam und allmählich, so unmerklich, dass er selbst heute, nach all der Zeit, nicht hätte sagen können, was genau es war. Er wusste nur, dass Annie irgendwann aufgehört hatte, abends aufzubleiben und auf ihn zu warten.
    Nicht, solange Chase noch zum College gegangen war. Nein, erst später, als er Arbeit suchte, manchmal zwei, drei Stunden von zu Hause entfernt. Abends fuhr er zurück, so ausgelaugt, dass er den Heimweg kaum schaffte, weil er nicht von Annie getrennt sein wollte … Bis zu dem Zeitpunkt, als ihm klar wurde, dass es gar keinen Sinn hatte, denn das Einzige, was sie sagte, wenn sie seinen Schlüssel hörte, war: „Schlepp keinen Dreck in die Wohnung, Chase.“ Und dann sagte sie, sein Essen stünde in der Mikrowelle, und ging schlafen.
    Nachdem er gegessen und dann noch stundenlang über Bauplänen und Berechnungen für den nächsten Tag gebrütet hatte, stapfte er mühsam nach oben, wo Annie schlief oder zumindest vorgab zu schlafen. Sie lag weit drüben auf

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