JULIA FESTIVAL Band 97
genau wie ich.“
Milos war so schockiert, dass sein Magen sich zusammenkrampfte. Das kann nicht wahr sein, sagte er sich. Bestimmt hat Rhea sie falsch verstanden. Wenn Melissa wirklich fast vierzehn ist …
„Ist alles in Ordnung?“, fragte seine Schwester.
Er spürte, wie ihm das Blut in den Kopf stieg. „Ich … ja, ich meine … nein. Mir ist nur ein bisschen schwindelig, das ist alles.“
„Du arbeitest zu viel“, bemerkte sie. „Es ist so heiß heute. Vielleicht geht es dir nach dem Abendessen besser.“
„Ja.“ Er wünschte, sie würde ihn allein lassen. „Es geht schon.“
„Kann Melissa dann zum Abendessen bleiben?“
„Nein. Tut mir leid, Rhea, aber ihre Mutter erwartet sie zurück.“
Nun schmollte Rhea. „Es gibt Telefone.“
„Eine Viertelstunde noch, mehr nicht.“ Krampfhaft umklammerte Milos die Armlehnen seines Stuhls.
„Du bist ein Spielverderber, weißt du das?“ Zum Glück schien sie sein Unwohlsein schon vergessen zu haben. „Was Melissa wohl dazu sagt …“
Das war allerdings seine geringste Sorge. Nachdem seine Schwester gegangen war, überlegte Milos, ob seine Vermutung stimmte. Nein, wahrscheinlich hatte Melissa sich älter gemacht.
Ironischerweise musste er sie unbedingt sehen, und sobald er sich dazu in der Lage fühlte, stand er auf und ging zum Fenster.
Melissa hatte sich von Rhea einen Bikini geliehen, und er versuchte sich einzureden, dass es der Schnitt war, der sie älter erscheinen ließ. Zu seinem Verdruss stellte er jedoch auch Ähnlichkeiten zwischen den beiden Mädchen fest, die ihm vorher wegen Melissas Make-up und den furchtbaren Sachen, die sie trug, nicht aufgefallen waren.
Unbändiger Zorn erfasste ihn. Wie hatte er nur so blind sein können? Und warum hatte Helen ihm die Wahrheit vorenthalten? Wenn er Melissas biologischer Vater war, hatte er das Recht, es zu erfahren.
Dann hatte er sich an etwas erinnert, das Helen auf dem Kai zu ihm gesagt hatte. Sie hatte sich nach seiner Frau erkundigt. Er hatte ihr damals nicht erzählt, dass er verheiratet war, und Sam hatte es in seinen Briefen an sie sicher auch nicht erwähnt. Warum hatte derjenige, der es ihr gesagt hatte, ihr die Scheidung verschwiegen?
Milos seufzte und merkte dann, wie Melissa, die auf dem Beifahrersitz saß, in seine Richtung blickte. „Habe ich etwas falsch gemacht?“, fragte sie.
Sofort verspürte er Gewissensbisse, weil er noch kein Wort mit ihr gewechselt hatte, seit sie aufgebrochen waren.
„Natürlich nicht.“ Flüchtig sah er sie an und war wieder schockiert. Verdammt, sie hatte seine Augen! Und seine Nase. „War es schön?“
„Ich habe deine Gastfreundschaft überbeansprucht, stimmt’s?“, meinte sie, ohne seine Frage zu beantworten. „Dafür ist deine Schwester verantwortlich.“
„Habe ich das etwa behauptet?“ Er verzichtete darauf, ihr zu sagen, dass sie nicht in diesem Ton mit ihm reden sollte, und atmete tief durch. „Ich hoffe nur, deine Mutter macht sich keine Sorgen.“
Aber das tut sie bestimmt, dachte er. Plötzlich war ihm klar, warum Helen dagegen gewesen war, dass er den Nachmittag mit ihrer Tochter verbrachte.
„Das macht sie immer“, sagte Melissa gleichgültig und zog das Bein an, wobei sie den Fuß auf den Sitz stellte.
„Hat sie denn einen Grund dazu?“, erkundigte er sich vorsichtig.
Sie schnitt ein Gesicht. „Das glaubt sie zumindest.“
„Warum?“
„Das willst du nicht wirklich wissen.“
„Doch. Gefallen deine Klamotten ihr nicht?“
„Hat sie dir das erzählt?“
„Nein.“
„Und was willst du dann damit sagen? Dass sie dir auch nicht gefallen?“
Milos schüttelte den Kopf. „Wir haben nicht von mir gesprochen.“
„Nein, ich weiß.“ Melissa warf ihm einen forschenden Blick zu. „Und warum interessiert es dich dann?“
„Ich versuche … dich besser kennenzulernen.“
„Aha“, erwiderte sie ziemlich spöttisch. „Du meinst wohl, du versuchst, meine Mum zu beeindrucken. Eigentlich wolltest du gar nicht mit mir wegfahren, sondern nur bei ihr punkten.“
„Du liegst völlig falsch.“ Tatsächlich konnte er sich gar nicht mehr an seine Beweggründe erinnern. „Möchtest du nicht, dass wir … Freunde sind?“
„Doch.“ Es war offensichtlich, dass sie ihm nicht glaubte. „Dein Glück, dass Rhea da war, nicht?“
So hätte er es nicht unbedingt ausgedrückt. Allerdings war ihm klar, dass er ohnehin früher oder später die Wahrheit erraten hätte.
„Und, was hat sie über mich gesagt?“,
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