JULIA FESTIVAL Band 97
haben?“
„Nein!“ Sie war verblüfft. Aber es erklärte so vieles.
„Wart ihr glücklich miteinander?“
Seine Frage war sicher nur gut gemeint, doch er verdiente es, zumindest einen Teil der Wahrheit zu erfahren. „Melissa … ist nicht Richards Tochter“, eröffnete Helen ihm deshalb. „Er wusste es, wollte mich aber trotzdem heiraten.“
„Warum auch nicht?“, meinte Sam, und ihr ging durch den Kopf, wie ihr Leben hätte verlaufen können, wenn er für sie da gewesen wäre und sie unterstützt hätte. „Du bist eine schöne Frau. Jeder Mann wäre stolz darauf, mit dir verheiratet zu sein.“
„Glaubst du?“
„Du hast meine Frage nicht beantwortet“, erinnerte er sie. „Wart ihr glücklich miteinander?“
„Am Anfang ja“, erwiderte Helen. „Zumindest machte Richard den Eindruck. Erst als Melissa älter und … schwieriger wurde, war sie plötzlich nicht mehr unser Kind, sondern mein Kind.“
Ihr Vater wirkte bestürzt. „Ach, Liebes! Hätte ich das gewusst!“ Er drückte ihr die Hand. „Erzähl mir von ihm. Was hat er beruflich gemacht?“
„Ach, dies und jenes.“ Sie mochte ihm nicht sagen, dass Richard in all den Jahren, die sie ihn gekannt hatte, nicht einmal einer geregelten Tätigkeit nachgegangen war. „Als er starb, hat er als Kurier gearbeitet.“
„Als Kurier?“ Sam runzelte die Stirn. „Nicht gerade der geeignete Job für jemanden, der fast jeden Abend im Pub verbringt.“
Starr blickte sie ihn an. „Woher weißt du …?“
Nun wirkte er ein wenig betreten. „Melissa hat es mir erzählt“, gestand er. „Aber ich habe sie nicht ausgefragt. Sie ist praktisch damit herausgeplatzt.“
„Das ist typisch für sie. Es tut mir leid, wenn sie dich in Verlegenheit gebracht hat.“
Er schüttelte den Kopf. „Das hat sie nicht. Aber mir ist klar, dass sie dich oft ganz schön nervt. Weiß sie eigentlich, dass Richard nicht ihr Vater war?“
Helen, die noch einen Schluck Wein getrunken hatte, stellte ihr Glas ab. „Du meine Güte, nein! Richard hat darauf bestanden, dass sie es nicht erfährt. Niemand sollte es wissen, nicht einmal meine Mutter.“
„Verstehe“, meinte Sam nachdenklich. Dann stand er auf und ging zum Fenster. „Wusste er, wer ihr Vater ist?“
„Nein“, antwortete sie kurz angebunden. Schließlich fügte sie bitter hinzu: „Du fragst mich nicht, ob ich weiß, wer er ist.“
„Natürlich tust du das.“ Er wirbelte zu ihr herum und funkelte sie wütend an. „Wer hat behauptet, es wäre nicht der Fall?“
Sie schüttelte den Kopf, doch ihr Vater zog die richtigen Schlüsse. „Er!“, rief er schroff. „Oh, Helen, warum hast du mir nicht geschrieben und mir alles erzählt?“
Flüchtig kam ihr in den Sinn, was hätte sein können, wenn sie es getan hätte. Doch es war nie infrage gekommen. Sie hatte geglaubt, Milos wäre verheiratet, und wäre niemals auf die Idee gekommen, nach Santonos zu fliegen und ihn mit seinem Verhalten zu konfrontieren. Sie war zu jung, zu verängstigt und zu stolz gewesen.
5. KAPITEL
Am Spätnachmittag brachte Milos Melissa zum Weingut zurück.
Krampfhaft umklammerte er das Lenkrad, während er vergeblich versuchte, seine Gefühle in den Griff zu bekommen. Noch immer war er fassungslos.
Eigentlich hatte er nicht lange in Vassilios bleiben wollen, doch wider Erwarten hatte seine Schwester Rhea sich trotz des Altersunterschieds von fünf Jahren bestens mit Melissa verstanden. Vielleicht lag es daran, dass diese ganz anders war als die Mädchen, mit denen Rhea sich sonst traf. Genau wie sie stammten diese aus wohlhabenden Familien und hatten normalerweise großen Respekt vor ihren Eltern. Das konnte man Melissa allerdings nicht vorwerfen, und Rhea, die schon immer zur Rebellion geneigt hatte, war offenbar fasziniert von ihr.
Jedenfalls überredete sie Milos, noch eine Weile zu bleiben, damit sie mit Melissa schwimmen konnte. Ihm war es nur recht, denn er musste sich auf eine Konferenz in Athen vorbereiten, und das vergnügte Kreischen der beiden vom Pool her bot eine willkommene Ablenkung.
Schließlich kam Rhea zu ihm ins Arbeitszimmer und fragte ihn, ob Melissa zum Abendessen bleiben dürfe. „Melissa will mir das Schminken beibringen“, fügte sie hinzu. „Sie kann es.“
„Komm schon, Rhea, wie alt ist sie?“, neckte er sie. „Zwölf? Sie tut zwar erwachsen, aber …“
„Melissa ist fast vierzehn“, verteidigte sie ihre neue Freundin. „Sie hat nächsten Monat Geburtstag und ist auch Zwilling,
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