JULIA FESTIVAL Band 97
stimmt’s?“
„Mein eigener Chef zu sein?“ Er verzog das Gesicht. „Ja, klar. Aber am schönsten ist das Bewusstsein, dass ich das alles allein aufgebaut habe. Mayas Vater war Alkoholiker, und als wir den Betrieb übernommen haben, war er völlig heruntergewirtschaftet.“
„Dann hast du Maya also nicht ihres Geldes wegen geheiratet?“
Ihr Vater wandte sich um und blickte sie resigniert an. „Hat deine Mutter das etwa behauptet?“
Sie zuckte die Schultern. „Sinngemäß, ja.“
„Es ist jedenfalls nicht wahr. Als wir uns kennenlernten, besaß Maya keinen Penny, und die Firma war hoch verschuldet.“
Helen nickte, und als wollte er sich rechtfertigen, fuhr Sam fort: „Ich weiß nicht, was Sheila dir erzählt hat, aber wir hatten schon Probleme, lange bevor Maya auf der Bildfläche aufgetaucht ist. Okay, vielleicht hätte ich meine Familie nie verlassen dürfen, aber es war nie meine Absicht, dass wir beide uns entfremden, Helen.“
Helen schwieg, doch ihr Vater hatte so bewegt gesprochen, dass sie ihm glaubte. Sie wollte ihm glauben. Allerdings sollte er auch verstehen, wie sehr sie sich verraten gefühlt hatte. Vielleicht würden sie irgendwann Frieden miteinander schließen. Ihr Besuch bei ihm war zumindest ein Anfang.
Als sie die Weinkellerei verließen, trafen sie Alex. Helen hatte Mayas Sohn bereits am Vorabend beim Essen kennengelernt und dabei erstaunt festgestellt, wie wenig Ähnlichkeit er mit seiner Mutter hatte. Anders als diese war er nett und unkompliziert, und sie hatte ihn auf Anhieb sympathisch gefunden.
„Anscheinend hat Sam eine Führung mit dir gemacht“, bemerkte er und wechselte dabei einen amüsierten Blick mit seinem Stiefvater. „Versucht er dich davon zu überzeugen, dass Weinbau ein einträgliches Geschäft ist?“
„Du und ich wissen beide, dass es das Frustrierendste überhaupt sein kann“, erklärte Sam nachdrücklich, bevor er sich wieder an Helen wandte. „Alex nimmt mir übel, dass ich ihn gleich nach seinem Studium mit ins Geschäft geholt habe. Inzwischen ist er meine rechte Hand, und ich wüsste gar nicht, was ich ohne ihn tun sollte.“
„Du würdest schon klarkommen“, meinte Alex trocken.
Helen spürte, wie gut die beiden sich verstanden. Alex ist für Sam der Sohn, den er nie hatte, dachte sie und fragte sich, ob die Tatsache, dass sie keinen Bruder hatte, der Grund für die Trennung ihrer Eltern gewesen war. Sie hatte Sheila oft sagen hören, sie wolle keine weiteren Kinder.
Nachdem Sam und sie kurz bei der Mühle vorbeigeschaut hatten, wo die Trauben gepresst wurden, gingen sie in sein Büro. Ein junger Mann brachte ihnen eine Flasche Wein und zwei Gläser, und Helen war froh, dass sie sich einen Moment hinsetzen konnte, weil die Hitze ihr zu schaffen machte.
Sie unterhielten sich eine Weile über Weinbau und die unterschiedliche Qualität verschiedener Traubensorten. Plötzlich erklärte Sam: „Du weißt gar nicht, wie froh ich über deinen Besuch bin, Helen. Kannst du mir je verzeihen, dass ich zu solch drastischen Mitteln greifen musste, damit du kommst?“
Helen betrachtete einen Moment lang ihr Glas. Dann blickte sie zerknirscht zu ihm auf. „Wir haben beide Fehler gemacht“, räumte sie ein. „Ich, weil ich nicht auf die Stimme der Vernunft hören wollte. Und du, weil du viel zu früh aufgegeben hast, um mich zu kämpfen.“
„Ich habe Milos geschickt“, protestierte ihr Vater, und prompt dachte sie daran, wie schicksalhaft diese Begegnung gewesen war. Sie hatte ihr Leben für immer verändert und jede Hoffnung auf eine Versöhnung zerstört.
„Jedenfalls gehört das jetzt alles der Vergangenheit an“, sagte Helen. Mit siebzehn ungewollt schwanger zu werden war schlimm genug für sie gewesen. Zu allem Überfluss hatte ihre Mutter ihr damit gedroht, sie hinauszuwerfen, falls sie den Vater des Babys nicht heiratete …
„Ich möchte aber vieles wissen“, beharrte Sam. „Erzähl mir von dem Mann, mit dem du verheiratet warst, Richard Shaw. War deine Mutter denn nicht der Meinung, dass du für einen solchen Schritt noch zu jung bist?“
Helen verzog den Mund. „Eigentlich nicht.“
„Sie war also dafür?“
„Sie hat zumindest keine Einwände erhoben“, erwiderte sie ausweichend. „Und als Melissa geboren wurde …“
„Natürlich. Melissa.“ Ihr Vater lächelte. „Jetzt verstehe ich. Du warst schwanger und hattest keine andere Wahl. Hat deine Mutter dir nie erzählt, dass wir auch deswegen geheiratet
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