JULIA FESTIVAL EXTRA Band 04
Nicole sah ihn immer noch überrascht an, und Matteo machte ein Gesicht, als hätte man ihm eine Ohrfeige versetzt. „Nun, da du Nicole unter Vertrag genommen hast, die Geschichte unserer Familie zu schreiben, Nonna, hielt ich es für interessant, mir anzusehen, wie sie ihre eigene abgehandelt hat“, antwortete er langsam und schloss mit seiner Antwort ganz bewusst jegliches persönliches Interesse am Inhalt der Biografie aus.
„Ich nehme an, du warst zufrieden?“, erwiderte Nicole kühl. Es ärgerte sie maßlos, dass er offenbar keine Mühen gescheut hatte, um sich zu vergewissern, dass sie nicht doch eine Hochstaplerin war.
„Sehr sogar“, bestätigte er. „Das Buch war sehr gut und interessant geschrieben.“
Nicole hegte den Verdacht, dass er es sowieso nur gelesen hatte, um festzustellen, ob es nicht irgendwelche Hinweise darauf enthielt, wie sie unter Einsatz ihrer Reize anderen Leuten Geld aus der Tasche gezogen hatte. Doch sie verkniff sich eine spitze Entgegnung, denn sie wusste, das würde wieder nur mit einem heftigen Ausbruch enden … wie bei ihrer Auseinandersetzung im Billardzimmer, als Matteo sich bei ihr für seine Fehleinschätzung entschuldigt hatte.
Er hatte sich immerhin entschuldigt. Und er hatte gesagt, dass er sie respektieren würde. Dann aber hatte er mit ihr geschlafen, ohne sich ihrer Zustimmung wirklich zu vergewissern. Nichts, was ihr ein Gefühl von Respekt oder Wertschätzung hätte geben können. Ohne große Vorreden war er geradewegs auf das losgegangen, was ihn wirklich an ihr interessierte: Sex … denn ihr Buch hatte ja bewiesen, dass sie okay war und vermutlich keine hässlichen Enthüllungen zu erwarten waren. Nicole hasste ihn dafür und sich selbst noch mehr, weil sie so bereitwillig mitgemacht hatte. Aber hier vor seiner Familie musste sie den höflichen Schein wahren.
„Danke“, sagte sie und rang sich dann für seine Großmutter ein Lächeln ab. „Um auf die Aufführung zurückzukommen … es war eine brillante Inszenierung, aber Peter wusste offensichtlich auch ganz genau, was er an Gina hat. Und sie hat seine Erwartungen ganz bestimmt nicht enttäuscht.“
„Ganz recht“, pflichtete Mrs. Valeri-King ihr bei. „Schon als er sie das erste Mal singen gehört hat, war er fest entschlossen, ihr Talent in den richtigen Rahmen zu stellen.“
„Das ist ihm heute Abend gelungen“, mischte sich Hannah ein und gab Nicole damit das Stichwort, sich ihr zuzuwenden und mit ihr zu plaudern, bis Alessandro zurückkam.
Alessandros Rückkehr war für alle das Zeichen, die Loge zu verlassen. Für den Weg die Treppe hinunter ins Foyer des Theaters bot sich Matteo Nicole natürlich wieder als Begleiter an. Und obwohl sie sich innerlich dagegen sträubte, nahm sie seinen dargebotenen Arm an. Es war eine Frage der Höflichkeit und der Vernunft … in Anbetracht der vielen Stufen, ihrer hochhackigen Schuhe und des langen Kleides.
Matteo schien es nicht eilig zu haben und verlangsamte seine Schritte, als wollte er bewusst hinter den anderen zurückbleiben. Das wiederum machte Nicole entschieden nervös. Sie wollte auf keinen Fall mit ihm allein sein, weil es höchst erotische Erinnerungen in ihr weckte.
„Wie alt warst du, als du Peter Owen kennengelernt hast?“, fragte Matteo unvermittelt.
„Zehn oder elf“, antwortete sie, erleichtert, dass seine Gedanken eine so harmlose Richtung einschlugen.
„Also noch ein Kind“, bemerkte er wegwerfend.
Sie konnte sich nicht verkneifen hinzuzufügen: „Mag sein, dass ich nur ein Kind war, aber Peter hat sich immer die größte Mühe gegeben, dass ich mich in seiner Gesellschaft wohl gefühlt habe.“
„Selbst bei kleinen Mädchen muss er den Charmeur spielen“, lautete der spöttische Kommentar.
„Ein bisschen Charme hat noch niemandem geschadet“, erwiderte sie spitz. „Und mir hat es damals sehr gut getan.“
„Kein Wunder. Es hat ja auch wenig Charme, in billigen Hotels und Nachtclubs herumzuhängen, das Kindermädchen für einen alkoholkranken Vater zu spielen und dafür zu sorgen, dass er nach seinen Auftritten heil nach Hause kommt.“
Matteos verächtlicher Ton veranlasste sie, ihn anzusehen. Er erwiderte ihren Blick hart und forschend. „War er es wirklich wert, dass du ihm so viel von deinem Leben geopfert hast, Nicole?“
„Du verstehst das nicht.“
„Nein, da hast du recht. Er hätte sich um dich kümmern müssen. Was ist das für ein Mann, dem ein paar Trommeln und eine Flasche Whisky wichtiger
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