JULIA FESTIVAL EXTRA Band 06
liegt vermutlich an der Kanalisation. Die müsste mal ordentlich gereinigt werden“, erwiderte David automatisch und konnte kaum glauben, dass sie so tat, als hätte sie seine unverschämte Bemerkung überhört. So tat, als hätte sie die frechen Worte überhört? Das passte nicht zu einer modernen Frau wie ihr, sondern eher zu einer feinen Lady der Jahrhundertwende. Aber genau so war Honor. Selbstbewusst und unabhängig, aber zugleich großzügig und zartfühlend, und alles so perfekt kombiniert wie die Duftnoten eines edlen Parfüms.
„Und da wir schon gerade über etwas so Unappetitliches reden …“, fuhr sie fort. „Ich muss Sie warnen, David. Ich habe den Verdacht, dass dieses Haus von Mäusen heimgesucht wird.“
„Das wundert mich gar nicht“, erwiderte er, noch immer dankbar. „Mit einer Katze wären sie die schnell los.“
„Das dachte ich auch, aber bisher hat Jasper sich als ungeschickt oder zu wohlgenährt erwiesen.“
„Jasper?“
„Der Kater. Irgendwann war er einfach da“, erklärte sie. „Da niemand weiß, wem er gehört, haben wir uns einfach gegenseitig adoptiert. Er wird bald zum Frühstück kommen. Meistens taucht er gegen acht auf.“
„Ein Kater, der sich an die Uhr hält. Nun ja, offenbar ist er viel zu intelligent, um seine Zeit auf etwas so Schnödes wie Mäusefang zu verschwenden“, scherzte David. Als Honor einen Schrank öffnete, um eine schwere gusseiserne Pfanne herauszuholen, ging er zu ihr. „Falls die für den Schinken ist, übernehme ich das.“
„Danke. Ich mag meinen knusprig“, erwiderte sie und überreichte ihm die Pfanne, ohne darauf zu bestehen, dass sie für das Kochen zuständig war.
Eine halbe Stunde später war das Frühstück zubereitet, und David staunte noch immer. Was für eine ungewöhnliche Frau sie doch war. Sie verschwand kurz und kehrte mit dem „Daily Telegraph“ zurück. Beim Frühstück las sie immer die Zeitung, erklärte sie ihm.
Die meisten Frauen, die er kannte, hätten darauf bestanden, das Frühstück zu machen und ihm die Zeitung auf den Tisch zu legen. Aber dass sie beides nicht tat, störte ihn nicht. Im Gegenteil, er empfand es als eine erfrischende Herausforderung. Es war, als wollte sie ihm beiläufig signalisieren, dass nur ein ganz besonderer Mann, eine ganz besondere Art von Männlichkeit, sie beeindrucken und … erregen würde.
Ein ganz besonderer Mann. Nun, das war er gewiss nicht. David bezweifelte, dass eine Frau ihn noch attraktiv finden würde, wenn sie von seiner Vergangenheit wusste.
„Was geschehen ist, ist geschehen. Wir leben in der Gegenwart, im Hier und Jetzt. Das müssen wir.“
David zuckte zusammen, als er sah, dass Honor die Zeitung hingelegt hatte und ihn ansah. Woher hatte sie gewusst, was er dachte?
„Sind Sie sicher, dass Sie keine Hexe sind? Oder wenigstens Gedanken lesen können?“, fragte er ein wenig verunsichert. „Zugegeben, wir leben in der Gegenwart, aber die Vergangenheit ist immer ein Teil von uns. Was wir getan haben, macht uns zu dem, was wir sind.“
„Stimmt. Aber wer sich zu sehr an vergangene Fehler klammert, lernt nicht aus ihnen.“
„Und wenn diese Fehler nicht nur uns selbst, sondern auch andere belastet haben?“
Honor sah ihn nachdenklich an. Kein Zweifel, er war ein Mann, den sein Gewissen quälte.
„Was ist, wenn wir diese anderen Menschen nicht um Verzeihung bitten können, weil das, was wir getan haben, unverzeihlich ist?“, fragte er, als wäre die Antwort klar.
„Ich weiß es nicht“, gab sie zu. „Aber wenn Sie …“
Sie verstummte schlagartig, als die Hintertür klapperte und David zusammenzuckte.
„Das ist nur Jasper“, beruhigte sie ihn und stand auf, um den Kater hereinzulassen.
„Er braucht eine Katzenklappe“, meinte David, als der Kater durch die Küche stolzierte, sich vor den alten Herd setzte und ihn kritisch musterte, bevor er sich ausgiebig die Pfoten leckte. „Ich werde ihm eine bauen. Oder nicht?“, fragte er Honor.
„Doch, natürlich“, erwiderte sie und begriff, dass er mal wieder das Thema wechseln wollte.
Sie war verblüfft, wie froh sie über diesen Themenwechsel war, obwohl er ihre Neugier weckte. Sicher, er war attraktiv, und ihr Körper reagierte auf seine Nähe, aber …
Ihr lag nichts an einem Abenteuer, und sie wollte ihm erst recht keine Schulter bieten, an der er sich ausweinen konnte. Warum auch? Wer heilen wollte, durfte sich das Leid seiner Patienten nicht zu eigen machen.
„Nach dem Frühstück führe
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