Julia Gold Band 0045
seine Schwester zu schützen.
Neben ihm sah Samira zierlich und sehr zerbrechlich aus. Das dichte, schwarz gelockte Haar umrahmte ihr schönes Gesicht. Auch Samira ließ kein Anzeichen von Schwäche erkennen, um ihre fein geschwungenen Lippen zuckte es nicht, und ihre dunklen Augen strahlten unerschrocken. Sie war offenbar stolz darauf, an der Seite ihres Mannes zu gehen.
In dem Blick, den Glen seiner Schwester zuwarf, lag das Versprechen, den Preis für ihre Freiheit zu bezahlen. Aber das will ich doch gar nicht, sagte Leah sich verzweifelt. Dann sah sie Samira an, die den Blick auf ihren Vater richtete, vielleicht um ihn um Verzeihung zu bitten, ehe sie dafür verurteilt wurde, dass sie einen Mann liebte, den ihr Vater ihr nicht ausgesucht hatte und mit dem er nicht einverstanden war.
Denkt Sharif etwa jetzt darüber nach, dass Samira seine Frau hätte werden sollen? fuhr es Leah durch den Kopf, während man die beiden aufforderte, in der Mitte des Raums stehen zu bleiben. Sharifs Gedanken gingen jedoch in eine ganz andere Richtung. Er musterte Glen so abschätzend, als ahnte er, dass dieser Mann genauso willensstark war wie er selbst.
Glen erwiderte den Blick des Scheichs herausfordernd und mit unverhohlenem Ärger über das, was er seiner Schwester angetan hatte. Nein, dachte Leah hilflos, das führt doch sowieso zu nichts. Dennoch war sie stolz auf ihren Bruder, der gekommen war, um seiner Schwester ein, wie er meinte, schlimmes Schicksal zu ersparen. Es war unverkennbar, dass Glen sich nur mühsam beherrschte.
Wenn er jetzt den Mund aufmacht und Sharif mit Vorwürfen überhäuft, dann schadet er nur sich selbst, überlegte Leah verzweifelt. Irgendwie musste sie es verhindern. Und während sie noch einen Ausweg aus dieser heiklen Situation suchte, schritt Youssef ein.
„Wenn wir uns einig sind, dass Samira tot ist, dann kann man sie jetzt nicht verurteilen, Exzellenz.“
„Danke, dass du für mich eintrittst, Youssef“, sagte Samira stolz und liebevoll. „Aber wenn mein Mann sterben muss, will ich mit ihm sterben.“
„Nein!“, rief Leah aus. Sie sprang auf und warf Sharif einen bittenden Blick zu.
„Ist der Preis für das, was geschehen ist, nicht schon hinreichend bezahlt worden?“, mischte sich nun auch Tayi ein und wies mit einer Handbewegung auf Leah.
Sharif runzelte die Stirn. Ihm war nun klar, dass der Sturm von allen Seiten losbrechen würde.
Jetzt ergriff Leah die Initiative, ehe es zu spät war. „Mit allem gebotenen Respekt bitte ich um eine Privataudienz. Wenn man eine Pause einlegen könnte …“
Sharif handelte rasch. Er erhob sich ebenfalls. „Die Sitzung ist unterbrochen“, verkündete er. „Die Gefangenen sollen sich hinsetzen, bis ich zurückkomme.“
Dann deutete er eine Verbeugung vor König Rashid an. „Entschuldigen Sie mich bitte, Majestät. Es müssen noch wichtige Details geklärt werden, um das neue Bündnis zwischen unseren beiden Ländern zu besiegeln.“
Der König nickte zustimmend.
Sharif forderte Leah mit einer Handbewegung auf, mit ihm zu kommen. Er führte sie durch eine Seitentür in sein privates Arbeitszimmer. Kaum hatte er die Tür hinter ihnen geschlossen, fasste er Leah am linken Arm und zog sie zu sich heran, wobei es in seinen Augen spöttisch aufblitzte.
„Erst gibst du mir das Messer. Ich habe keine Lust, von der Frau, der ich so viel Wohlwollen gezeigt habe, in den Rücken gestochen zu werden. Außerdem reicht es mir völlig, mich mit einem Messer pro Tag auseinandersetzen zu müssen.“
Leah gab es ihm und seufzte resignierend. „Tayi hat damit ihr Ziel erreicht, oder etwa nicht?“
„Aber nur, weil ich es zugelassen habe“, erwiderte er mit der für ihn so typischen Arroganz. Dann warf er das Messer auf den großen Schreibtisch am anderen Ende des Raums. „Was willst du mit mir besprechen, Leah?“
Sie atmete tief durch und schaute ihn bittend an. „Bedeute ich dir überhaupt irgendetwas, Sharif? Ich meine, ganz persönlich, nicht als Objekt deiner Rache.“
Er verzog ironisch die Lippen. „Du bedeutest mir mehr, als ich zugeben möchte. Warum sind wir wohl hier, Leah? Habe ich nicht versucht, dir jeden Wunsch zu erfüllen?“
Auf einmal fühlte Leah sich unendlich erleichtert. Die ganze Angst, der Schmerz und der schreckliche Gefühlswirrwarr lösten sich auf. „Dann hör mir bitte zu, Sharif“, bat sie ihn. „Da die Prinzessin für ihren Vater tot ist, solltest du sie unter deinen persönlichen Schutz stellen. Das
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