JULIA GOLD Band 32
kontrollieren konnte. Emotionen sollten nicht so tief gehen.
„Ich kann nicht“, flüsterte sie. „Es geht einfach nicht.“
Er verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. „Du musst nicht sofort antworten. Vielleicht möchtest du ein wenig länger darüber nachdenken. Nimm dir eine Stunde Zeit. Oder zwei. Schließlich geht es um deine Zukunft.“
Als sie mit dem Dinner fertig waren, warf Kahlil eine Hand voll Geldscheine auf den Tisch. Wechselgeld für Kahlil und ein kleines Vermögen für sie selbst. Davon würde sie ein paar neue Schuhe für Ben kaufen können. Vielleicht würden sie sich von so viel Geld sogar einen Ausflug an die Golfküste erlauben können.
Tränen brannten in ihren Augen, als Kahlil sie zu der wartenden Limousine führte. Er hatte keine Ahnung, wie es war, wenn man sich jeden Einkauf zweimal überlegen musste. Jeden neuen Monat derselbe Teufelskreis – Miete, Gas, Stromrechnung, Auto usw. Stan hatte angeboten, ihr zu helfen und die Rechnungen für sie zu bezahlen. Irgendwann war sie versucht gewesen, sein Angebot anzunehmen, doch sie war standhaft geblieben. Auch seine häufigen Heiratsanträge hatte sie stets abgelehnt – bis letztes Jahr Weihnachten.
Der ständige Widerstand hatte sie aufgerieben, und schließlich hatte sie akzeptiert, dass Stanley der Richtige war. Nicht für sie. Aber für Ben.
Wie betäubt glitt Bryn auf dem Rücksitz der Limousine und legte den Sicherheitsgurt an.
Kahlil gab dem Fahrer Anweisungen, zu ihrem Haus zu fahren.
Der Nebel in Bryns Kopf lichtete sich, als ihr bewusst wurde, wie gefährlich es war, Kahlil in die Nähe ihres Hauses zu lassen. Sie hatte zwar Bens Spielzeug weggeräumt, doch es könnten immer noch Sachen herumliegen, die sie übersehen hatte. „Wollen wir nicht noch ein wenig durch die Gegend fahren?“
„Durch die Gegend fahren?“
Sie ignorierte Kahlils ungläubigen Gesichtsausdruck. „Oder lass uns spazieren gehen. Es ist eine so schöne Nacht. Das erste Mal seit Wochen ist es nicht schwül.“
Kahlil sah sie argwöhnisch an. „Was verbirgst du vor mir?“
Die Tatsache, dass er sie so leicht durchschauen konnte, verstärkte ihre Angst, aber auch ihre Entschlossenheit, ihn so schnell wie möglich loszuwerden. Sie hatte jetzt schon das Gefühl zu ertrinken und fürchtete, ein zweites Mal nicht von ihm loszukommen. Kahlil war so clever, zu clever, und auch zu wütend.
Vor ihrem geistigen Auge erschien Ben, wie er freudig aus dem Haus gelaufen war, als Mrs. Taylor ihn heute Abend abgeholt hatte. Seine kleinen weißen Turnschuhe flogen über den Bürgersteig, seine Minijeans war aufgekrempelt. Sie kaufte die Kleidung immer ein wenig größer, damit sie nicht nur eine Saison lang passte, sondern zwei oder vielleicht sogar drei.
An Mrs. Taylors Wagen war er stehen geblieben, hatte sich umgedreht und ihr einen Handkuss zugeworfen. „Ich hab dich lieb, Mommy!“
Seine Lebensfreude rührte sie, und lachend hatte sie einen Handkuss zurückgeworfen. Sie war etwas besorgt, wie jedes Mal, wenn sie sich von ihm verabschiedete. Was, wenn etwas passierte? Wenn sie einen Unfall hätten? Wenn sie ihn verlöre? Was, wenn …
Diese vielen „was, wenn …“ machten sie verrückt.
Nein, das würde nicht geschehen. Mit allen Mitteln würde sie kämpfen, um Ben zu beschützen. Er war ihr ein und alles.
Bryn sah Kahlil an und lächelte leicht. „Ist es so merkwürdig, spazieren gehen zu wollen?“
„Das hast du doch nie gern getan.“
„Natürlich nicht. Ich war achtzehn. Damals interessierten mich Motorräder und Rennwagen und alles, was mein Herz höher schlagen ließ.“ Du zum Beispiel, dachte sie unwillkürlich. Du hast mein Herz tausendmal am Tag höher schlagen lassen.
Die Nacht war still, die Straßen fast verlassen. Die Limousine hielt an dem beliebten Park mitten in der Stadt an, und Kahlil und Bryn stiegen aus.
Der ungewöhnlich milde Septemberabend roch anders als gewöhnlich. Der Sommer neigte sich dem Ende zu, der Herbst kam mit seinem Duft nach welkendem Laub.
Kahlil sagte nichts. Und Bryn versuchte nicht, ihn zum Reden zu bringen. Sie suchte nach einer Alternative zu seinem Vorschlag. Doch ihr fiel keine Lösung ein. Selbst eine Flucht mit Ben kam nicht infrage. Diesmal würde Kahlil sie nicht fortgehen lassen. Er würde sie finden, und dann würde sie zahlen müssen.
„Es gibt keine andere Möglichkeit“, sagte Kahlil plötzlich, als hätte er ihre Gedanken gelesen, und warf ihr einen forschenden Blick zu. „Du
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