JULIA GOLD Band 32
seinen Zügen, mit langen Schritten ging er auf den Koffer zu. Felicia erstarrte, als sie sah, wie er sich bückte und mit zwei Fingern Zahras orangeroten Haremsanzug hochhob.
Mit einem kurzen Seitenblick wurde Felicia gewahr, wie Zahra sie mit flehenden Augen ansah, und sofort reagierte sie.
„Das ist meiner“, sagte sie mit zuckersüßer Stimme und griff nach dem Anzug. Dabei entfaltete sich die Pluderhose in ihrer vollen Pracht. Als sie den Ausdruck ungläubiger Empörung auf Rashids Gesicht sah, hätte sie am liebsten laut gelacht. „Den habe ich neulich im Souk gekauft. Ich dachte, zu Hause in England könnte so was vielleicht in Mode kommen.“ Sie wusste selbst nicht, welcher Teufel sie ritt. „Ich hoffe, dass der Anzug Faisal gefällt. Einkaufen gehen kann man damit natürlich nicht, aber für einen gemütlichen Abend zu Hause …“ Sie warf Rashid einen kurzen, vielsagenden Blick zu. Sie wusste, dass sie mit dem Feuer spielte.
Mit seinen kühlen grauen Augen musterte Rashid sie unverfroren, ohne sich um Zahras entsetztes Gesicht zu kümmern. „Ich hätte nicht gedacht, dass Sie für diese Farbe schwärmen, Miss Gordon … bei dem Haar.“
„Finden Sie nicht, dass sie mir steht?“, erwiderte Felicia lächelnd.
Darauf gab er ihr keine Antwort, sondern gab Ali einen Wink, die Kleider wieder in den Koffer zu packen. Felicia folgte Zahra in die Frauengemächer.
Ihr Schlafzimmer war ganz anders als das in der Villa. Das einzige moderne Möbelstück war das große Doppelbett. Der Holzfußboden war mit weichen, sehr wertvollen Perserteppichen bedeckt. Unter den Bogenfenstern stand eine niedrige, mit Kissen bedeckte Couch. Wie in jedem arabischen Haus war das Geräusch plätschernden Wassers zu hören.
In einem kleinen Nebenraum befanden sich die Schränke, in die Felicia ihre Kleider hängte. Den Haremsanzug jedoch legte sie gefaltet auf ein kleines Tischchen.
Als Zahra hereinkam und ihn sah, zog sie eine Grimasse. „Ich habe Rashid noch nie so wütend gesehen. Oh, Felicia, es tut mir so leid … wie er dich angeschaut hat!“
„Ach, das ist doch nicht schlimm“, wehrte Felicia unbekümmert ab.
„Nicht schlimm?“, rief Zahra aus. „Das sagst du, obwohl Rashid dich so behandelt hat … dich, als Faisals zukünftige Frau?“
Felicia glaubte, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen sei, Zahra die Wahrheit zu sagen, doch Zahra kam ihr zuvor: „Ich werde Rashid sagen, wie sehr er sich irrt, Felicia. Ich kann nicht zulassen, dass du darunter leiden musst. Rashid wird sich bei dir entschuldigen.“ Ihre Lippen bebten. Es musste sie sehr getroffen haben, ihren angebeteten Onkel so zu sehen. „Er wollte dich vor uns demütigen, Felicia. Ich habe es ihm angesehen. Aber stattdessen hat er mich gedemütigt.“ Sie schluckte ein paar Tränen hinunter. „Ich danke Gott, dass ich seine Verachtung erlebt habe. Ich könnte es nicht ertragen, wenn Saud mich so ansähe.“
Felicia wandte ein, dass Rashid sie von Anfang an abgelehnt hätte, doch Zahra schien untröstlich.
„Weil er nicht will, dass du Faisal heiratest. Felicia, versprich mir, dass du dich nicht von Rashid vertreiben lässt, bitte! Ich habe dich sehr lieb gewonnen, du bist mir wie eine Schwester. Du darfst nicht gehen! Rashid wird sich besinnen, Felicia, ich weiß es.“
8. KAPITEL
Am nächsten Tag kam Nadia mit ihrem Mann und ihrem Sohn an. Sie war ein paar Jahre älter als Felicia, die weibliche Ausgabe Faisals. Ihre Ähnlichkeit mit Faisal jedoch berührte Felicia kaum.
Nadias kleiner Sohn Zayad gewann sofort Felicias Herz. Er erzählte ihr unaufhaltsam, was er auf der Fahrt alles gesehen und erlebt hatte, ohne die geringste Scheu zu zeigen. Er bestand darauf, mit ihr in ihr Zimmer zu gehen, wo er alles auf den Kopf stellte, damit ihm auch nichts entging.
Nach einer Weile kam Nadia, um nach ihrem Sohn zu schauen, und ließ sich mit gekreuzten Beinen auf dem Diwan nieder. Obwohl sie westlicher wirkte als ihre Schwester und ihre Mutter, umgab sie doch die Aura der behüteten orientalischen Frau. Sie fuhr Zayad liebevoll durchs Haar. „Hoffentlich hat er Sie nicht zu sehr gestört?“
„Aber nein. Er ist so ein lieber kleiner Kerl“, antwortete Felicia. „Sie freuen sich sicher schon auf Zahras Hochzeit, nicht wahr?“
„Nicht so sehr wie damals auf meine“, lachte Nadia. „Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, dass es einmal eine Zeit gab, wo ich Achmed nicht heiraten wollte.“ Und als Felicia sie fragend ansah, fuhr sie fort:
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