Julia Gold Band 47
Raschid sie musterte, jagte Polly eine Gänsehaut über den Rücken. Voller Panik sog sie die Luft ein, als Raschid sie aufhob und aufs Bett warf.
„Mir einen solchen Vorwurf in der Hochzeitsnacht zu machen, ist eine grobe Beleidigung. Ich habe einiges von dir hingenommen, seit wir die Kirche verlassen haben, aber jetzt ist Schluss!“ Raschid betonte jedes Wort. „Ich habe dich gekauft. Du bist mein Besitz. Und zu diesem Handel hat dich niemand gezwungen.“
Fassungslos blickt Polly zu Raschid auf. Du bist mein Besitz. Eiseskälte breitete sich in ihr aus, und der Baldachin des Himmelbettes schien sich über Polly zu drehen.
Ihr Schweigen schien Raschid zu besänftigen. Er legte sich zu ihr und dämpfte die Wandbeleuchtung, dann zog er Polly in die Arme.
„Lass uns die Ehe nicht mit Streit und Bitterkeit beginnen“, bat er sanft. „Was zwischen Mann und Frau geschieht, ist die natürlichste Sache der Welt. Du brauchst davor keine Angst zu haben.“
Polly fühlte sich schwindlig, und ihr Kopf sank zurück, sodass ihr Haar über Raschids Schulter fiel.
„Raschid“, brachte Polly mühsam hervor.
„Bitte hör mir zu.“ Er sprach jetzt sehr eindringlich. „Was ich für dich empfinde, ist Verlangen, nicht Begierde. Begierde kennt kein Geben, nur Nehmen ohne Rücksicht auf den anderen. So möchte ich meine Frau gewiss nicht in die Freuden der Liebe einweihen, Polly.“
Sie schloss die Augen und spürte Raschids Finger an ihrer Wange. Er sagte etwas auf Arabisch und legte ihr die Hand auf die Stirn, dann wurde es schwarz um Polly …
„Sind Sie wach?“ Polly wurde bewusst, dass ihr ein Thermometer in den Mund geschoben wurde. Verschwommen nahm sie ein schmales fremdes Gesicht, ein grünes Schwesternhäubchen auf leuchtend rotem Haar wahr. „Wissen Sie heute, wo Sie sind? Keine Sorge, Sie haben das Schlimmste überstanden. So hohes Fieber habe ich bei einer Grippe nur selten erlebt.“ Der harte schottische Dialekt bestärkte Polly in dem Gefühl, dies alles nur zu träumen.
Endlich wurde das Thermometer entfernt. Polly versuchte, sich zu bewegen, doch ihre Glieder waren bleischwer, und sie fühlte sich entsetzlich schwach. Benommen drehte sie den Kopf zur Seite. Die Sonne schien durch den Fries herein, der fein gemusterte Schatten auf den Perserteppich am Fußboden warf. Wohin Polly auch blickte, überall entdeckte sie Blumen.
Sie wandte sich wieder der Krankenschwester zu. „Wieso … sind Sie hier?“, fragte sie stockend.
„Sie haben also gemerkt, dass ich nicht hierher gehöre. Dann werden Sie bald wieder gesund sein. Ich bin Susan MacKenzie.“ Die junge Frau lächelte Polly aufmunternd zu. „Ich habe einen Vertrag mit dem Jumani City Hospital. Als Sie krank wurden, hat man das ganze Ärzteteam und mich sofort hergeholt.“
Susan MacKenzie schüttelte lachend den Kopf. „Der halbe Palast hatte sich vor Ihrer Tür versammelt. Sie haben den Leuten einen ganz schönen Schrecken eingejagt.“
Polly wurde noch blasser. „Was für ein Tag ist heute?“
„Samstag. Sie dürften sich kaum an etwas erinnern. Die ganze Zeit über haben Sie im Fieber fantasiert und waren nicht ansprechbar. Wundert mich nur, dass niemand vorher gemerkt hat, wie schlecht es Ihnen ging. Aber nun, bei dem vielen Make-up, das Sie aufgelegt hatten, konnte man Ihnen das wohl nicht ansehen. Außerdem packt die Grippe einen ja manchmal ganz plötzlich.“
Langsam kehrte die Erinnerung zurück. Die Hochzeit fiel ihr wieder ein und – die Hochzeitsnacht. Am liebsten wäre Polly im Boden versunken. Diese Nacht würde Raschid bestimmt nicht vergessen! Die Ohnmacht seiner Braut im Ehebett als dramatische Krönung einer katastrophalen Hochzeit. Tränen traten Polly in die Augen, aber sie war zu schwach, um zu weinen.
„Sicher können Sie es kaum erwarten, Ihren Mann zu sehen“, plapperte Susan MacKenzie munter weiter. „Aber es dürfte eine Weile dauern, ehe er kommt. Er hat den Platz an Ihrem Bett kaum verlassen, bis das Fieber gestern Abend nachließ. Wahrscheinlich schläft er im Moment. Er muss völlig erschöpft sein.“
Polly schloss die Augen. Sie hatte sich schrecklich aufgeführt. Was war Raschid anderes übrig geblieben, als den besorgten Bräutigam zu spielen?
Gewaschen und gekämmt ließ Polly sich eine Stunde später von der unablässig plappernden Susan mit Hühnerbrühe füttern. Danach schlief Polly ein.
Beim Erwachen fand sie Jezra an ihrem Bett vor. Das junge Mädchen ergriff ihre Hand, und in seinen
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