Julia Gold Band 47
viel schöner als du. Ich habe gehört, dass die Männer sich auf der Straße nach ihr umdrehen. Ganz gleich, was unser Vater glaubt, du wirst sie nicht ausstechen!“ Jezra schwieg plötzlich und hielt sich entsetzt die Hand vor den Mund.
Pollys Gesicht hatte alle Farbe verloren.
„Ich habe gelogen“, flüsterte Jezra schuldbewusst. „Raschid darf auf keinen Fall erfahren, dass ich das gesagt habe.“
Vor Pollys Augen begannen die leuchtenden Farben des Teppichs zu verschwimmen. „Ich habe nicht die Absicht, es ihm oder jemand anders zu erzählen.“
Drückendes Schweigen breitete sich aus. Schließlich räusperte Jezra sich. „Bitte entschuldige die hässliche Begrüßung.“
Das Mädchen war jetzt sehr blass und schien Angst zu haben. Polly hätte Mitleid mit ihm gehabt, wenn sie nicht selbst so verzweifelt gewesen wäre. „Schon vergessen“, versicherte sie matt.
Das letzte Steinchen des Mosaiks fügte sich ein. Endlich hatte Polly eine Erklärung für Raschids Abneigung gegen eine Wiederverheiratung gefunden. Kein Wunder, dass er mit dem derzeitigen Stand der Dinge zufrieden gewesen war, während sein strenger Vater ihn unter Druck gesetzt hatte, ein geordnetes Leben zu führen. Polly fühlte sich elend. König Reija hatte seinen Sohn zu Hause mit einer Blondine versorgt, als ob Blondinen austauschbar wären. Aber vielleicht waren sie das für Raschid auch, denn trotz seiner Geliebten in Paris bestand er darauf, mit seiner Braut zu schlafen. Jezras Enthüllung erschütterte Polly zutiefst.
Der Teenager führte sie in ein elegant eingerichtetes Schlafzimmer. Zwei junge Mädchen traten lächelnd auf Polly zu. Auf einem Diwan lag ein kostbares kaftanartiges Gewand ausgebreitet. Ihr Hochzeitskleid! Bitter wandte sie sich ab.
Hier in Dharein war sie nur ein Bauer auf dem königlichen Schachbrett. Jetzt wusste sie, dass Raschid sie nur als Aushängeschild benutzen wollte, um seinen Liebschaften ungestört nachgehen zu können. Das Ganze war ein schmutziges, abgekartetes Spiel.
Teilnahmslos ließ Polly über sich ergehen, dass Zenobia ihr beim Auskleiden half. Dann wurde sie in einen leichten Umhang gehüllt und ins angrenzende Badezimmer geführt. Gada gab aromatisch duftende Öle ins Badewasser und lächelte Polly einladend zu.
„Ich möchte nicht baden“, erklärte sie steif.
„Es wird Sie wunderbar erfrischen, lellah .“ Zenobia hob bittend die Hände. „Wir sind hier, um Sie zu bedienen. Haben wir etwas getan, was Ihnen missfällt?“
Es war einfacher mitzuspielen, als sich zu widersetzen. Pollys Haar wurde gewaschen, bis es sich seidenweich anfühlte. Als Polly aus dem Wasser stieg, wurde sie mit flauschigen Handtüchern empfangen. Während sie bäuchlings auf einem Diwan lag und von Zenobia sanft mit Rosenöl massiert wurde, fielen Polly die Augen zu.
Beim Erwachen stellte sie verwirrt fest, dass Gada ihr mit einem feinen Pinsel geschickt Hennaverzierungen auf Hände und Füße malte. Polly versuchte, sie davon abzubringen, doch Zenobia machte ihr eindringlich klar, es sei Brauch, die Braut vor der Hochzeit so zu schmücken.
Eine aufgeregt tuschelnde Frauenschar erwartete Polly bei der Rückkehr ins Schlafzimmer. Das alles gehörte zum traditionellen Ritual, wurde Polly bewusst. Schon Stunden vor der eigentlichen Zeremonie wurde die Braut für die Übergabe an ihren Herrn und Gebieter zurechtgemacht.
Jezra stand schmollend abseits. In einer Ecke hockten drei ältere Frauen und stimmten ein Lied an, das für Pollys Ohren wie ein Grabgesang klang. Unbehaglich wandte sie den Blick ab und merkte, dass die anderen ihr durch Zeichensprache etwas verständlich machen wollten.
„Spricht keine von ihnen Englisch?“, fragte Polly.
„Es sind Beduininnen, lellah . Diese Frauen gehören zu Königin Nurbahs Stamm“, erklärte Zenobia. „Nur wenige von ihnen kommen in die Stadt. Nach alter Sitte helfen sie, die Braut des Prinzen zu schmücken. Sie fühlen sich geehrt, Ihnen ihre Dienste anbieten zu dürfen.“
Unter anderen Umständen hätte Polly sich über diese freundlichen Gesten gefreut, doch so wurde der Trubel für sie zum Härtetest. Sie hatte keine Ahnung, was die Mädchen mit ihrem Gesicht machten, weil sie keinen Spiegel entdecken konnte. Die Frauen halfen ihr in den kostbaren silberblauen Kaftan, dann legten sie ihr einen turbanähnlichen Kopfputz aus roter Seide und ein Stirnband mit gehämmerten Silbermünzen an. Erst jetzt durfte Polly vor einen Spiegel treten.
Benommen
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