Julia Gold Band 47
Tod nicht ausgelöscht worden. Lag es da nicht nahe, dass er sich eine Freundin nahm …?
Polly rief sich zur Ordnung. Solange Raschid sie in Ruhe ließ, ging sie das nichts an.
„Verglichen mit deinem Elternhaus mag es dir hier recht primitiv vorkommen“, hörte sie Raschid sagen. „Ich bin ziemlich anspruchslos und lege keinen Wert auf Eleganz und Luxus. Außerdem halte ich mich hier sowieso nicht oft auf.“
Großmütig erwiderte Polly: „Ach, es ist doch recht nett hier“, obwohl sie in einem fast leeren, hallenden Raum auf dem Teppich saßen.
„Normalerweise esse ich bei meinem Vater.“
Raschid ist heute erstaunlich gesprächig, stellte Polly fest. Er redete sonst nie über sich. Von Jezra wusste Polly, dass er als Kind mit Nurbahs Familie durch die Wüste gezogen war. Ein Lehrer war auch dabei gewesen. Als Zehnjähriger war Raschid in Saudi-Arabien auf die Militärakademie geschickt worden, später hatte er Betriebswirtschaft studiert.
Seine beiden Brüder hatten ein sehr viel angenehmeres Leben gehabt, nachdem König Reija seine Vorbehalte gegen eine westliche Erziehung aufgegeben hatte. Polly war sicher, dass Raschid eine strenge, freudlose Jugend hinter sich hatte, bei der es ihm an Elternliebe und spielerischem Erleben gemangelt haben musste. Das erklärte wohl auch, warum er so ein ernster, in sich gekehrter Mensch war, der Gefühle nicht aufbringen oder zumindest nicht äußern konnte.
Polly riss sich aus ihren Überlegungen. „Du brauchtest nicht mit mir zu essen“, erklärte sie. „Schließlich hast du mir von vornherein gesagt, dass ich damit nicht rechnen dürfe. Asif nimmt seine Mahlzeiten immer mit Chassa ein, wenn er daheim ist, aber das gehört wohl zu den Folgen seiner Erziehung in England.“
Bei der Erwähnung seines Bruders wurde Raschids Miene hart. „Sicher ist Asif sehr westlich geprägt. Aber ich möchte jetzt nicht über ihn sprechen.“
Polly ließ sich nicht beirren. „Und warum nicht? Ist er in Ungnade gefallen?“
Raschid warf Polly einen ungeduldigen Blick zu. „Ich fand ihn sehr nett.“
„Oh ja. Asif versteht sich darauf, nett zu sein.“ Raschid lächelte zynisch. „Bei Frauen versprüht er seinen Charme geradezu. Wie du weißt, fliege ich morgen nach New York“, wechselte Raschid unvermittelt das Thema. „Bis zu meiner Rückkehr kannst du hier verändern, was du möchtest. Ich lasse dir da völlig freie Hand. Du sollst dich im Palast zu Hause fühlen, solange du hier bist.“
Polly wurde eiskalt. Solange sie hier war. Sollte das eine Andeutung sein, dass Raschid sich bald scheiden lassen wollte? Sie hatten doch erst geheiratet, und er dachte schon an die Auflösung der Ehe.
„Wie lange soll ich mich hier denn zu Hause fühlen?“, fragte sie scharf. „Und bitte rede nicht um den heißen Brei herum. Wenn du die Scheidung willst, sag es!“
Raschid hielt ihrem Blick ruhig stand. „Im Moment denke ich nicht an Scheidung.“
Seine gleichmütige, kühle Art brachte Polly nur noch mehr auf. „Weshalb hast du mir dann erst Hoffnung gemacht? Ich möchte wenigstens wissen, auf wie lange ich mich einstellen muss.“
„Bis wir einander überdrüssig sind“, erwiderte Raschid leise. „Reize dieser Art verlieren so schnell an Wirkung, wie die Blumen verblühen, die in der Wüste nach dem Regen aus dem Boden schießen. Was zwischen uns ist, wird ebenso schnell vergehen. Es wäre nicht fair, dir etwas vorzugaukeln. Ich möchte deine Gefühle nicht verletzen, Polly.“
Sie blickte starr auf das Limonadenglas in ihrer Hand. Wie konnte Raschid ihr unter dem Deckmantel der Offenheit so brutale Dinge sagen? Sie würde ihn wohl nie verstehen. Für Raschid war sie also nur ein Sexobjekt, das er nach Lust und Laune gebrauchen und dann wegwerfen wollte! An eine Ehe auf Dauer hatte er von Anfang an nicht gedacht.
„Du kannst mich gar nicht verletzen“, erwiderte Polly so stolz wie möglich.
„Vielleicht könntest du mir gegenüber jetzt ebenso offen sein, wie ich es war.“ Raschid betrachtete sie mit ausdrucksloser Miene, doch die Spannung zwischen ihnen war jetzt unerträglich. „Was ist mit Chris?“
Polly glaubte, sich verhört zu haben. „Chris?“, wiederholte sie verständnislos.
5. KAPITEL
„Du hast im Fieber nach ihm gerufen. Wenn du nicht krank gewesen wärst, hätte ich dich schon eher auf diesen Mann angesprochen. In welcher Beziehung standest du zu ihm, Polly?“
Sie spürte, dass ihr das Blut ins Gesicht schoss. In ihren Fieberfantasien
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