Julia Gold Band 51
weshalb Yasir der Ansicht ist, dass sein Vater der rechtmäßige Thronfolger gewesen sei.“
„Erbt der älteste Sohn nicht automatisch den Thron?“
„Nein. In diesem Teil der Welt muss ein Herrscher sehr stark sein, um sich an der Macht halten zu können. Mein Vater war von beiden Brüdern der Stärkere und hat zu Recht die Regentschaft übernommen. Yasir hingegen ist der Meinung, dass er selbst Anspruch auf den Thron habe, und so kommt es hin und wieder zu einer unschönen Szene wie vorhin, für die ich dich um Entschuldigung bitte.“
„War es klug, ihn vor mir zu schlagen?“
„Höchst unklug sogar. Zum Glück ist Yasir nicht nachtragend und wird mir schnell wieder verzeihen.“
Letzteres bezweifelte Alexis, denn sie hatte in Yasirs Augen glühenden Hass aufblitzen sehen. Da der Konflikt zwischen den beiden Cousins sie nichts anging, schwieg sie jedoch.
Ali schien ihr noch immer zu grollen, und während sie seine finstere Miene betrachtete, kam ihr unvermittelt ein Gedanke, der ihr ein Lächeln entlockte.
„Was ist auf einmal so lustig?“, fragte Ali brummig.
„Ich habe mir nur überlegt, dass du ganz schön in der Patsche sitzt.“
„Falls dich das amüsiert, solltest du es lieber für dich behalten.“
„Also gut, ich mache dir einen Vorschlag. Was hältst du davon, wenn wir noch einmal von vorn anfangen? Unterhalten wir uns so, wie wir es an jenem ersten Abend getan hätten, wenn ich dir sofort reinen Wein eingeschenkt hätte.“
„Du hast mir damals lauter Märchen aufgetischt“, sagte er mit einem Anflug von Bitterkeit. „Mit deiner angeblichen Vorliebe für die Geschichten aus Tausendundeiner Nacht wolltest du mich nur zum Reden bringen und mir brauchbare Informationen für deinen Artikel entlocken.“
„Das stimmt nicht!“, widersprach sie. „Alles, was ich dir über mich persönlich erzählt habe, war wahr. Bitte, das musst du mir glauben!“
Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, und diesmal gab er seinem Bedürfnis nach, rieb sich die Wange, und als er Alexis nun ansah, war in seinem Blick so etwas wie Zerknirschung zu lesen. Unwillkürlich begann ihr Herz, schneller zu schlagen. Lass dich von seinem jungenhaften Charme nicht einwickeln, ermahnte sie sich.
„Ich hatte das Gefühl, dass du mich als Einziger verstehen würdest“, erklärte sie. „Nicht einmal mit meinen Freunden konnte ich darüber sprechen, und schon gar nicht mit Onkel Dan und Tante Jean. Die beiden hatten für derartige Fantastereien, wie sie es genannt hätten, nichts übrig. Sie drängten darauf, dass ich in der Schule ‚brauchbare Fächer‘ wie Mathematik und Informatik belegte, und da ich in dieser Hinsicht eine gewisse Begabung hatte, wurde bereits damals der Grundstein für meine spätere berufliche Entwicklung gelegt. Dass ich neben alledem auch eine heimliche Romantikerin mit einer blühenden Fantasie war, hast nur du erkannt. Es war für mich ein befreiendes Gefühl, nach all den Jahren einmal mit einem Menschen darüber reden zu können.“
„Ja“, sagte Ali leise und wünschte, sie hätte ihm das alles nicht erzählt, weil es ihn schmerzlich an seine eigenen Gefühle an jenem Abend erinnerte. Er hatte in ihr eine verwandte Seele zu finden geglaubt, jemanden, der ihn auch ohne Worte verstand. Seine heimliche Sehnsucht – die eines Mannes, der alles hatte, nur nicht das, was er sich am meisten wünschte – schien sich plötzlich erfüllt zu haben.
Mit keiner Frau zuvor hatte er je eine solche Übereinstimmung erlebt. Von ihr fühlte er sich nicht nur verstanden, sondern war auch bezaubert von ihrem Esprit und Witz und fand sie atemberaubend schön und begehrenswert.
Als dieser wichtige Anruf gekommen war, hatte er insgeheim geflucht. Aber er hatte keinen Augenblick bezweifelt, dass sie wie er die starke Anziehungskraft zwischen ihnen spürte und die Nacht mit ihm verbringen wollte.
Daher hatte er es als Schlag ins Gesicht empfunden, bei seiner Rückkehr ein leeres Zimmer vorzufinden. Es war eine völlig neue Erfahrung für ihn gewesen, von einer Frau zurückgewiesen zu werden, und er war sich wie ein unreifer Junge beim ersten Liebeskummer vorgekommen. Um sich vor dem Personal keine Blöße zu geben, hatte er sich gezwungen, das Ganze mit einem Lachen abzutun. Niemand sollte mitbekommen, dass eine Frau ihn zum Narren gehalten hatte.
Als sie dann einige Tage später als Journalistin bei ihm aufgekreuzt war, war ihm sofort klar gewesen, dass sie ihm vom ersten Moment an nur etwas
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