Julia Gold Band 51
hätte das Unwetter ihn hervorgebracht.
Einen endlosen Augenblick sahen sie sich an, während der Donner in der Ferne verhallte.
Dann meinte Jalal: „Ich habe in meinem ganzen Leben noch nicht so viel Regen gesehen, wie er in diesem Land in fünf Minuten fällt.“
Damit war der Bann gebrochen, und Clio bemerkte nun, dass er bis auf die Haut durchnässt war.
„Bleib da stehen!“, rief sie. „Beweg dich nicht, sonst tropft alles voll.“ Sie öffnete die Tasche mit der schmutzigen Wäsche und zog ein Handtuch heraus, das sie auf den Boden warf. „Stell dich da drauf. Ich hole dir ein frisches Handtuch.“
Clio verschwand ins Bad und kam mit einem der frischen Handtücher zurück. Jalal zog gerade seine Jacke aus.
„Wie willst du die frischen Handtücher ersetzen, wenn ich das jetzt benutze?“, fragte er und zögerte, als sie ihm das Handtuch hinhielt.
„Wir können ihnen ein paar frische mitgeben, wenn sie sich die Schlüssel holen“, erwiderte sie und zuckte mit den Achseln.
„Das ist nicht nötig. Ich komme hiermit zurecht.“ Er rieb sich das Haar mit einer trockenen Ecke seiner Jacke. Sein Polohemd war auf den Schultern und vorn auch ziemlich nass.
„Du solltest das besser ausziehen. Ich kann es in den Trockner werfen“, bot sie ihm an.
Er begegnete ihrem Blick. „Es ist in Ordnung so.“
„Jalal, du bist klitschnass!“ Jetzt redete sie schon wie ihre Mutter. „Du holst dir den Tod, wenn du so herumläufst.“
Er lächelte. „Nein, so schnell passiert das nicht.“
„Ich meine auch nur, du erkältest dich.“
„Nein“, wehrte er gelassen ab.
Sie schaute ihn wie gebannt an. Die Luft zwischen ihnen schien zu knistern, und unwillkürlich dachte Clio erneut an seine Worte.
„Die Katze muss zu mir kommen …“
In dem Moment pfiff der Wasserkessel, und sie nutzte die Gelegenheit, um sich dem Tablett mit den Tassen zuzuwenden.
Ein riesiger Blitz zuckte über den Himmel und das Krachen des Donners hörte sich an, als wäre über dem Dach eine Bombe explodiert.
„Nun, wir werden hier nicht so schnell wegkommen!“, stellte Clio munter fest und tat so, als würde das keine Rolle spielen.
Jalal straffte sich. „Wir können mit dem Boot doch auch bei Regen fahren, oder nicht?“ Da er an der Tür ein paar Haken entdeckte, hängte er seine Jacke auf. „Das habe ich mit deinem Vater auch schon gemacht.“
„Aber nicht, wenn es so heftig regnet, und schon gar nicht bei Gewitter. Die Sichtweite ist bei einem solchen Regenguss gleich null, und ein Boot auf dem Wasser zieht den Blitz an.“
Er biss die Zähne aufeinander, wie Clio an seinen angespannten Kiefermuskeln sehen konnte, aber er sagte nur leise: „Ich verstehe.“
Ihr lief ein wohliger Schauer über den Rücken. Dachte Jalal etwa daran, wie leicht es jetzt wäre, mit ihr zu schlafen? Sie jedenfalls musste daran denken. Draußen tobte ein Gewitter. Jalal und sie saßen hier fest. Jede andere Realität schien jetzt bedeutungslos zu sein.
Clio schluckte, griff nach dem Wasserkessel und füllte die Tassen. Das Aroma des Kaffees breitete sich aus, drang verführerisch an ihre Sinne, weckte Empfindungen. Sie trug das Tablett ins Wohnzimmer hinüber, und nachdem er seine schmutzigen Schuhe ausgezogen hatte, folgte Jalal ihr. Donner und Blitz wechselten sich jetzt fast pausenlos ab, und die Fensterfront vom Wohnzimmer bot einen herrlichen Ausblick auf dieses Naturschauspiel.
Jalal setzte sich in einen der Sessel und nahm sich eine Tasse Kaffee vom Tablett, das Clio auf den Sofatisch gestellt hatte. „Regnet es hier immer so stark? Kommen die Feriengäste deshalb hierher?“
Clio lächelte. „Sie wollen lieber Sonne. Aber dieses Jahr war das Wetter eher feucht. Ein Gewitter wie das hier kommt nur alle paar Jahre vor.“ Wie schön es jetzt wäre, ein knisterndes Feuer im Kamin zu machen, dachte sie und geriet ins Träumen. Sie stellte sich vor, mit jemandem auf dem Sofa zu sitzen, den sie liebte. Das Haus war für Verliebte wirklich bestens geeignet.
In dem angespannten Schweigen, das sich zwischen ihnen ausgebreitet hatte, nippte Clio an ihrem Kaffee und schaute in den Regen, der in Strömen zwischen den Bäumen herunterkam.
„Du meine Güte, die Katze!“, rief sie plötzlich, sprang auf und lief zur Terrassentür.
Draußen, direkt neben der Brücke, die hinter dem Haus über den Fluss führte, saß eine triefend nasse schwarz-weiße Katze, deren klägliches Miauen im Sturm unterging.
„Wousky!“, rief Clio das Tier
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