Julia Gold Band 53
an.
„Sehr aufregend.“
„Nein!“
Erschreckt stemmte sie ihre Hände gegen seine Brust, öffnete, ohne nachzudenken, die Wagentür und sprang hinaus. Sie wollte entkommen. Erst nach einigen Schritten merkte sie, dass sie versuchte, in tiefem Schnee zu laufen. Sie strauchelte, fiel der Länge nach hin und kämpfte sich wieder hoch. Am ganzen Körper zitternd in der schneidend kalten Luft und außer sich vor Wut, stand sie mit geballten Fäusten da und schrie:
„Ich hasse dich, Khalil ben Hrima! Ich hasse deine Versuche, mich bei jeder Gelegenheit zu belästigen! Ich hasse deine Berührungen! Sie lassen mich erschauern. Lass mich endlich in Ruhe! Du bist ein arrogantes, selbstgefälliges Ekel!“
Er stand knietief in dem weichen Schnee und lachte ihr voll ins Gesicht. Offenbar nahm er keines ihrer Worte ernst! Jetzt rasend vor Zorn, stolperte sie mit hoch erhobenen Fäusten auf ihn zu. Er bückte sich, nahm eine Handvoll Schnee und warf sie ihr mitten ins Gesicht. Bebend vor Kälte und Entrüstung, wischte sie ihre Augen frei, formte dann einen großen Schneeball, dem er vergeblich auszuweichen versuchte. Ehe sie sich klar wurde, was hier vor sich ging, waren sie wie zwei ausgelassene Kinder mitten in einer Schneeballschlacht, und plötzlich entdeckte sie, dass sie in Khalils fröhliches Lachen eingestimmt hatte.
Einen Augenblick später lagen sie einander in den Armen und küssten sich. Ihre Gesichter glühten, und sie pressten ihre Körper zusammen, als wollten sie sich niemals wieder trennen. Erschöpft von der Schlacht und dem hoffnungslosen inneren Kampf, gab sich Hannah dem herrlichen Augenblick hin und genoss ihn in vollen Zügen. So schnell schon würde er wieder vorbei sein!
Da schob Khalil sie schon von sich, fuhr sich mit etwas unsicherer Hand durch das zerwühlte Haar und lachte verlegen.
„Wenn wir nicht aufpassen, verwandeln wir uns noch in Schneemänner.“
Ich muss verrückt geworden sein, dachte Hannah entgeistert. Dieser Mann raubt mir noch den Verstand!
„Dein Temperament könnte eine kleine Abkühlung vertragen“, meinte sie schnippisch.
„Oder deines eine Erwärmung“, gab er zurück. „Komm zurück in den Wagen.“
Er half ihr beim Einsteigen und rieb ihre Arme warm, zog seinen Pullover aus, streifte ihn über ihren Kopf und küsste zärtlich ihre Stirn, als sie zum Vorschein kam, dann ihre Nase, ihre Lippen.
„Khalil …“
Widerstandslos ließ sie es zu, dass er den Pullover über ihren Brüsten glatt strich, und schloss die Augen. Zart streichelten seine Fingerspitzen ihre Wangen, und dann fühlte sie, wie er an ihrem Ohrläppchen knabberte und ein wohliger Schauer ihren Körper durchlief.
„Das ist gefährlich“, flüsterte sie.
„Schrecklich gefährlich“, stimmte er zu und ließ seine Lippen die seidige Haut ihres Halses entlangwandern. Plötzlich ließ er sie los, setzte sich hinter seinem Steuer zurecht und bemerkte in beiläufigem Ton:
„Ich denke, du brauchst jetzt eine heiße Suppe, trockene Kleider und einen warmen Raum. Wir fahren zu meinem Haus. Ich kann es gar nicht erwarten, dass du meine Familie kennenlernst.“
„Ich frage mich, ob das sehr weise ist.“ Warum nur wollte er sie unbedingt seiner Familie vorstellen?
„Den letzten Rest Weisheit haben wir schon lange aufgegeben, nicht wahr?“, meinte er mit einem freudlos klingenden Lachen.
Mit einem langen Seufzen gab sie ihm recht.
„Nun ja, ich möchte meine Familie gern wiedersehen.“
Ein Ausdruck tiefer Sehnsucht lag auf seinem Gesicht. Aus Dermots Büchern wusste sie, wie stark der Zusammenhalt in Nermas Familie war, und so, wie er sie ansah, brachte sie es nicht übers Herz, ihm seinen Wunsch abzuschlagen.
„Warum eigentlich nicht?“, meinte sie schließlich. „Wir haben ja nichts zu verlieren.“
„Und alles zu gewinnen“, setzte er geheimnisvoll hinzu.
Sie wurde unruhig. Bestimmt führte er etwas im Schilde.
„Das ist doch nicht etwa noch so eine ‚Komm mit mir ins beste Restaurant der Stadt und schau dir meine Briefmarken an‘-Geschichte?“, argwöhnte sie. „Das kannst du dir nämlich sparen. Wir haben eben im Schnee etwas herumgetollt, und das war alles. Lege besser keine tiefere Bedeutung da hinein.“
„Wirklich, Hannah, hältst du mich für einen dummen Jungen?“ Seine Stimme klang etwas verletzt. „Ich kann doch zwischen den Spielen von Kindern und denen der Erwachsenen unterscheiden!“
Sie fragte ihn lieber nicht, in welche Kategorie er die Episode im
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