Julia James
zögern.
Geistesabwesend fuhr sie fort, das Make-up von den Augen zu entfernen, die plötzlich voller Tränen waren. Tränen, die jeden Gedanken an die horrenden Schulden und an alles andere fortschwemmten, selbst den an Cesar Montarez.
"Ros! Was, zum Teufel, hast du dir bloß dabei gedacht?" Sables Stimme klang schrill. "Du solltest auf ihn aufpassen, stattdessen präsentierst du ihm diese Lena auf dem Silbertablett! Wirklich, ich hätte nie gedacht, dass du mich so im Stich lässt!"
Rosalind hatte gewusst, dass Sable nicht begeistert sein würde, wenn sie herausfand, dass sie Yuri davongelaufen war. Inzwischen ging es Sable wieder besser, und sie machte ihrer Empörung an der Theke Luft.
"Na ja, der Abend im Kasino war plötzlich zu Ende", versuchte Rosalind, sich zu rechtfertigen. Glücklicherweise war das Café leer, denn Sable nahm keine Rücksicht. "Du hast mir gesagt, Yuri würde die ganze Nacht spielen und ich könnte mich davonmachen, wenn das Kasino im Morgengrauen schließt. Aber dann haben Yuri und seine Leute sich schon kurz nach Mitternacht auf den Weg ins Hotel gemacht."
"Du hättest bei ihm bleiben müssen!" hielt Sable ihr entrüstet vor.
Rosalind stellte die Tasse weg, die sie gerade abgetrocknet hatte. "Sie wollten sich im Hotel mit uns in der Badewanne vergnügen und dergleichen. Das war nicht abgemacht, und deshalb bin ich gegangen."
Sables sonst so hübsches Gesicht verzerrte sich. "Vielen Dank, Ros! Er hat die Nacht mit Lena verbracht, und die gibt jetzt damit an. Sie behauptet, dass sie heute Abend wieder mit ihm losziehen wird! Na ja", fuhr sie ärgerlich fort, "das werden wir ja sehen! Ich denke nicht daran, ihr Yuri zu überlassen. Sie kann sich meinetwegen Gyorg, diesen Idioten, angeln. Yuri gehört jedenfalls mir!"
Rosalind sagte nichts. Sable und Yuri passten zusammen. Mit solchen Männern wie Yuri wollte Rosalind nichts mehr zu tun haben. Dennoch konnte sie Sable nicht einfach die Freundschaft kündigen, denn sie schuldete ihr sehr viel Geld.
Rosalind unterdrückte einen Seufzer. Sie hatte kein Recht, Sable zu verdammen, sondern musste ihr sogar dankbar sein. Es war nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn sie nicht gewesen wäre. Vor einem halben Jahr hatte das Kreditinstitut Rosalind heftig unter Druck gesetzt und die Zinsen drastisch erhöht. Das hätte zur Folge gehabt, dass sie über Jahre hinaus nicht mehr von ihrem Schuldenberg heruntergekommen wäre, wie sehr sie sich auch abgemüht hätte. In der Situation war Sable ihr glücklicherweise wie ein rettender Engel zu Hilfe gekommen.
"Ros, ich leih' dir das Geld. Im Moment bin ich ziemlich flüssig und kann es mir leisten", hatte sie Rosalind angeboten. "So kannst du dir die Kredithaie vom Hals schaffen und mir das Geld zum normalen Zinssatz zurückzahlen."
Überwältigt und unendlich dankbar hatte Rosalind das Angebot angenommen. Doch da sie Sable das Geld in kleinen monatlichen Raten zurückzahlte, würde es noch lange dauern, bis die Schulden restlos getilgt waren. Sable wollte nicht begreifen, warum sie es sich nicht leichter machte und sich einen reichen Mann suchte, der verliebt genug war, ihr das Geld zu geben.
"Ich verstehe einfach nicht, warum du dich abrackerst, obwohl du es so leicht haben könntest", hatte Sable ihr tausend Mal vorgehalten.
Auch jetzt fing sie wieder davon an, nachdem sie sich von Rosalind eine Tasse Kaffee hatte bringen lassen.
"Ist dir gestern Abend nicht bewusst geworden, was dir entgeht, Ros? Das Paraíso ist doch fantastisch. Hoffentlich geht Yuri mit mir heute Abend dorthin, nachdem ich Lena abgehängt habe", setzte sie finster hinzu.
Rosalind hütete sich, ihr zu verraten, dass man Yuri kaum noch ins Kasino lassen würde. Nachdenklich sah sie Sable an. Wusste sie, dass er ein Krimineller war und keineswegs ein Geschäftsmann, der nach dem Ende des Kommunismus reich geworden war?
Irgendwie konnte sie sich nicht vorstellen, dass Sable ahnungslos war. Dazu war sie viel zu erfahren. Aber es geht mich nichts an, dachte Rosalind. Natürlich war sie Sable dankbar, weil sie ihr das Geld geliehen hatte. Ihre Dankbarkeit reichte jedoch nicht so weit, dass sie Sables kriminellen Freund noch einmal treffen oder den fragwürdigen Lebenswandel ihrer Freundin übernehmen würde.
In dem Moment kamen Gäste ins Café, und Rosalind musste sie bedienen. Kurz darauf verabschiedete Sable sich, um sich für Yuri schön zu machen.
Rosalind war erleichtert, als sie weg war. Doch während sie
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