Julia Liebeskrimi Band 09
vorausgesetzt natürlich, dieser Reece Henderson gab ihr morgen grünes Licht.
Während die ersten dicken Regentropfen auf sie niederfielen, runzelte sie erneut die Stirn. Sie hatte schon genug Dokumentarfilme gedreht, um zu wissen, wie schwierig es bisweilen war, eine Dreherlaubnis zu bekommen, aber die Bedingung, ihren Terminplan bis aufs i-Tüpfelchen mit diesem Henderson abstimmen zu müssen, ärgerte sie. Hoffentlich war er wenigstens ein bisschen kooperativer, als er es per Fax gewesen war.
Als sie in den Blazer einstieg, goss es bereits in Strömen. Sydney grub in den Taschen ihrer Armeehose, die sie in einem der unzähligen Armeeläden im Süden von Los Angeles erstanden hatte, nach dem Zündschlüssel. Die ausgebeulte Tarnhose war zwar nicht gerade der letzte Schrei, aber Sydney fand vor allem die vielen Taschen ausgesprochen praktisch.
Sie stieg auf Kupplung und Bremse zugleich, startete den Motor und legte eine Hand um den Schaltknüppel, wobei sie sich sehnlichst wünschte, Zack daran erinnert zu haben, dass sie ein Auto mit Automatik wollte. Aus dem Krachen der Gangschaltung ließ sich schließen, dass sich der Blazer dasselbe wünschte.
„Entschuldigung“, brummte sie und startete einen zweiten Versuch.
Nach einem weiteren empörten kkkrrrrchchch war der Gang glücklich drin. Der Regen prasselte auf das Autodach, als Sydney den Blazer auf die Straße lenkte. Die Canyon Rim Road, die nur wenig mehr als ein Feldweg war, schlängelte sich meilenweit um den Canyonrand, bevor sie in die Staatsstraße mündete, die auf den Damm führte. Die Felsvorsprünge, die auf der linken Seite in die Straße hineinragten, machten jede Kurve zu einem Abenteuer, und der Steilhang zur Rechten erhöhte den Kitzel noch. Die Sintflut, die jetzt vom Himmel kam, machte die Sicht nicht besser. An der Unterlippe nagend, schaltete Sydney in den ersten Gang und nahm im Schneckentempo eine Haarnadelkurve.
Ein paar quälende Kurven später sah sie sich gezwungen zuzugeben, dass sie die Fahrt wohl besser bei Tageslicht gemacht hätte. Aber sie hatte diese Zeit allein mit ihren Erinnerungen gebraucht. Und am Abend hatte es keinerlei Anzeichen dafür gegeben, dass es eine stürmische Nacht …
„Was zum …“
Sie stieg auf die Bremse. Oder auf das, was sie für die Bremse hielt, denn ihr Fuß landete auf der Kupplung, und der Blazer fuhr geradewegs auf einen riesigen Steinbrocken zu, der von einem überhängenden Felsen abgebrochen und auf die Straße gestürzt war.
Eine Verwünschung ausstoßend, riss Sydney den Fuß hoch und das Lenkrad herum. Mit der Felswand zur Linken und dem steilen Abgrund zur Rechten war kein Platz, um dem Hindernis auszuweichen. Der Blazer kam ins Schleudern und brach zu weit nach rechts aus, bevor sie endlich die Bremse fand.
Zu ihrem Entsetzen spürte sie, wie der Straßenrand unter dem Gewicht des Blazer abzubröckeln begann. Der Motor bockte, dann ging er aus. Verzweifelt schaltete Sydney in den Leerlauf und drehte den Zündschlüssel herum.
„Komm! Los, komm doch schon!“
Das Auto sprang genau in demselben Moment an, in dem erneut ein Stück vom Rand nachgab. Es neigte sich bedenklich zur Seite und kam ins Rutschen.
„O Gott!“
Bevor er ganz umkippte, drückte Sydney mit der Schulter die Tür auf und warf sich aus dem Wagen. Sie krachte mit dem Hüftknochen auf einen Stein, überschlug sich und suchte auf dem regennassen, glitschigen Boden verzweifelt Halt. Der Blazer neben ihr imitierte auf eine schauerliche Art und Weise den Untergang der Titanic . Metall knirschte gegen Sandstein. Mit der Kühlerhaube voraus und in den Himmel gerichteten grellen Scheinwerfern, die den dichten Regenvorhang durchbrachen, versank er wie der riesige Luxusdampfer im Zeitlupentempo in seinem dunklen Grab.
Das Echo seines Aufpralls am Grund den Canyons hallte Sydney noch in den Ohren, als der Sandstein und die schlammige Erde unter ihren Fingern nachgaben und sie dem Blazer über den Rand folgte.
Reece Henderson presste sich den Telefonhörer ans Ohr und ließ eine zusammengerollte Skizze des Chalo-River-Damms klatschend auf seinen Oberschenkel niedersausen, während er darauf wartete, dass am anderen Ende der Leitung endlich jemand abnahm. Nach mehr als einem halben Dutzend Freizeichen war seine Geduld erschöpft. Er wollte eben auflegen, als sich der Teilnehmer am anderen Ende – wenn auch unter beträchtlichen Schwierigkeiten – schließlich doch noch meldete. Reece nahm das Gebrumm, das einen
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