Julia Liebeskrimi Band 09
Name ist Henderson.“
„Ja richtig, Henderson. Könnten Sie nicht vielleicht mal ’n bisschen durch die Gegend fahren und nach ihr Ausschau halten oder so? Wenn sie in Gedanken mit ’nem Projekt beschäftigt ist, ist sie manchmal so zerstreut, dass sie nicht mal weiß, was für ein Tag gerade ist. Ich würd’s ja selber machen, aber ich kenn mich hier nicht aus, außerdem hat Syd den Blazer und so.“
Reece hätte dem Jungen liebend gern gesagt, was er und seine Chefin ihn mal konnten oder so, aber er hatte nun einmal die Verantwortung für dieses Projekt und alle Kopfschmerzen, die damit einhergingen, übernommen. Einschließlich Sydney Scott, wie es schien. Wenn sie in das Sperrgebiet gefahren war und nach dem Wolkenbruch letzte Nacht im Schlamm stecken geblieben war, war sie leider sein Problem.
„Also gut. Ich sehe zu, was ich tun kann. Schreiben Sie sich meine Handynummer auf. Wenn sie antanzt, rufen Sie mich an.“
„Danke, Mann!“
2. KAPITEL
„Hey! Sie da unten! Sind Sie okay?“
Das Gebrüll veranlasste Sydney, den Kopf zu heben. Noch nie in ihrem Leben hatte sie so etwas Wunderbares gehört wie diese tiefe, barsche Stimme. Sie umklammerte den Stamm der verkrüppelten kleinen Föhre, die vor sieben Stunden ihren Sturz in die ewigen Jagdgründe aufgehalten hatte, noch ein bisschen fester und schrie zu dem dunkelhaarigen Cowboy, der vorsichtig über den Rand der Schlucht spähte, hinauf: „Ich bin okay. Nichts gebrochen, soweit ich sehe. Haben Sie ein Seil dabei?“
„Ja. Bin gleich wieder da. Bewegen Sie sich nicht.“
Nicht bewegen. Richtig. Als ob sie vorhätte, ihren Klammergriff nur um ein Jota zu lockern oder ihren Körper nur einen Zentimeter von der winzigen Stelle in der Felswand wegzubewegen, in der sie mit den Schuhspitzen Halt gefunden hatte.
Schwindlig vor Erleichterung, lehnte sie ihre Stirn gegen den Baumstamm. Aber vielleicht hatte der Schwindel ja auch etwas damit zu tun, dass sie gerade sieben Stunden eingeklemmt zwischen einem Baum und einer Felswand in schwindelerregender Höhe verbracht hatte.
Sie hatte sich schon darauf eingestellt, sogar noch mehr Zeit hier zu verbringen, weil nicht anzunehmen war, dass Zack vor zehn oder elf aus den Federn kommen würde. Ganz zu schweigen davon, dass er zu dieser unchristlichen Tageszeit noch kaum in der Lage sein könnte, eine Rettungsaktion für seine vermisste Chefin einzuleiten. Wenn er seinen Motor erst einmal angeworfen hatte, war ihr Assistent seine 140 Pfund in Gold wert, aber um ihn morgens aus dem Bett zu bringen, brauchte es unter Umständen ein halbes Dutzend Anrufe, die alle erdenklichen Tricks, angefangen von Schmeicheleien über Gebettel bis hin zu offenen Morddrohungen und der Drohung mit fristloser Entlassung, beinhalteten. Gott sei Dank war dies einer seiner seltenen Schnellzündertage!
Ein dumpfes Geräusch, von dem sich alsbald herausstellte, dass es ein Seil war, das gegen den Felsvorsprung schlug, veranlasste sie, gerade rechtzeitig nach oben zu schauen, um die Ladung aus Geröll und Dreck, die sich durch das Seil gelöst hatte, voll ins Gesicht zu bekommen. Sydney zuckte zusammen und wandte schnell den Kopf ab, was zur Folge hatte, dass der Baum bedenklich ins Schwanken kam und sie entsetzt aufschrie.
„Verdammt, nicht bewegen!“, brüllte ihr Retter barsch. „Ich ziehe das Seil ein bisschen rüber, damit Sie es erwischen können.“
Den Baumstamm mit beiden Armen umklammernd, versuchte sie vergeblich, sich den Staub aus Augen und Haaren zu pusten. Ihre Baseballkappe hatte während dieser Dreisekundentalfahrt über den Rand denselben Weg wie der Blazer genommen. Sydney konnte nur hoffen, dass eine Baseballkappe und ein Auto den Canyongöttern als Opfer ausreichten.
Mit Herzklopfen schaute sie zu, wie sich das dicke Seil Zentimeter für Zentimeter ihrem prekären Standort näherte. Erst als es in Reichweite war, entdeckte sie, dass ihre Arme völlig taub waren. Sie schien nicht in der Lage, sie von dem Baumstamm zu lösen.
„Packen Sie das Seil.“
Sie fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen und versuchte es erneut. „Noch eine Minute“, krächzte sie zu ihrem Retter hinauf. „Ich kann meine Arme irgendwie nicht fühlen.“
„Okay, ist in Ordnung.“ Die schroffe Stimme über ihr war ein bisschen sanfter geworden. „Machen Sie sich keine Sorgen deswegen.“
„Du hast gut reden“, brummte Sydney mit Blick auf das rettende Seil, das nur wenige Zentimeter von ihr entfernt baumelte.
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