Julia Liebeskrimi Band 09
Luft ließ ihre Lungen bei jedem Atemzug schmerzen. Zu spät wurde ihr bewusst, dass Raleigh möglicherweise nicht allein war.
Die Tür wurde aufgerissen. „Molly?“
Was sollte sie bloß sagen? Mit krächzender Stimme stieß sie hervor: „Kann ich reinkommen?“
„Natürlich.“ Er hob sie förmlich über die Türschwelle und schloss rasch die Tür, um die Kälte auszusperren. „Was hast du denn da an? Himmel, Molly, du zitterst ja vor Kälte. Bist du jetzt völlig verrückt geworden, in diesem Aufzug draußen herumzulaufen?“ Er schob sie vor den gusseisernen Ofen. „Was ist los?“
Sie wärmte sich die Hände an der Hitze, die der Ofen abstrahlte. Was sollte sie sagen? Eifersucht und Wut waren mächtige Empfindungen – das hatte sie soeben selbst bewiesen: Sie hatte einen Laib Brot verstümmelt und sich für die Olympischen Winterspiele qualifiziert. Aber war es richtig, Raleigh von Wyatts unverschämtem Annäherungsversuch zu erzählen? Er würde den Rancher vermutlich auf seine Art und Weise zur Rede stellen, und das konnte ihn den Job kosten.
Nein, sie war durchaus in der Lage, ihre eigenen Kämpfe auszufechten. Sie brauchte Raleigh nicht als Retter.
Sie brauchte ihn auch nicht als Cowboy-Helden.
Der Mensch war ihr wichtiger als der Mythos.
8. KAPITEL
„Ich weiß, weshalb du böse bist“, sagte Raleigh, als Molly nicht antwortete. Sie hatte so einen merkwürdigen Gesichtsausdruck. Welcher spontane Impuls hatte sie dazu getrieben, mitten in der Nacht in diesem Aufzug bei zwanzig Grad minus den ganzen Weg zu seiner Hütte zurückzulegen?
Raleigh setzte zu der abgedroschenen Entschuldigung an, die sie schon erwartet hatte. „Es war nicht so, wie es aussah.“
Molly schloss die Augen. „Ist es das jemals?“, fragte sie gepresst.
„Darf ich es dir erklären?“
„Kannst du es denn?“
Nicht wirklich.
„Dachte ich’s mir doch“, meinte sie spitz, als sie sein Zögern merkte. Sie wandte sich zu ihm um. Ihre Miene war verschlossen, keine Gefühlsregung daraus abzulesen.
Raleigh zog den Quilt von seinem Bett und legte ihn ihr fürsorglich um. Einen flüchtigen Moment lang begegnete er ihrem Blick: dunkle Schokolade, bitter-süß, empfindlich. Er sah, dass sie trotz ihres Zorns nach einer akzeptablen Erklärung für sein Verhalten hungerte.
Er wollte nicht lügen. Aber konnte er ihr wirklich die Wahrheit anvertrauen? Sollte er es ihr sagen, wohl wissend, dass er sie damit in Gefahr bringen könnte?
„Molly …“ Er suchte nach den richtigen Worten, um den Slalom zwischen beruflicher Verpflichtung und den tiefen Gefühlen für Molly zu schaffen.
„Es ist ganz einfach“, sagte sie. „Wer ist das Mädchen?“
„Das kann ich dir nicht sagen.“
Molly machte Anstalten, den Quilt zu Boden gleiten zu lassen, doch er fing ihn auf und legte ihn ihr wieder um die Schultern. Dann führte er sie zum Sofa und setzte sich neben sie.
„Es ist nicht das, was du denkst.“ Er nahm ihre Hand. „Sie bedeutet mir nichts.“
Molly zog ihre Hand weg. „Wenn das so ist, ist die Situation noch schlimmer, als ich dachte. Männer, die eine Frau durch eine andere ersetzen, als hätten sie es mit leblosen Barbie-Puppen zu tun, und es bedeutet ihnen nichts …“ Sie erschauderte. „Das finde ich einfach abscheulich.“
Schuldig, fuhr es ihm durch den Kopf. Nicht, was Stankle betraf, aber früher hatte er einiges falsch gemacht. Er hatte seine Partnerinnen stets respektiert, war kein ausgesprochener Chauvinist gewesen und hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass er nicht an einer dauerhaften Beziehung interessiert war. Trotzdem, schuldig.
„Okay“, räumte er ein. „Vielleicht hast du recht. Ich denke, ich kann dir verraten, dass das Mädchen Melissa heißt. Sie bedeutet mir auch etwas, aber nicht so, wie du denkst.“
„Sie ist deine Zwillingsschwester.“ Mollys Stimme triefte vor Ironie. „Deine Mutter? Deine verschollene Tochter?“
„Sie ist meine Kollegin.“
Molly schluckte eine weitere spitze Bemerkung hinunter. „Ich verstehe nicht …“
Er unterbrach sie, um eine, wie er hoffte, glaubwürdige Erklärung anzubieten. „Wir hatten eine Besprechung.“ Vielleicht konnte er sich aus der Affäre ziehen, indem er absichtlich eine irreführende Erklärung lieferte. Das lenkte Molly womöglich von der entscheidenden Frage ab.
„So, ihr hattet eine Besprechung. Klar, das kauf ich dir ab. Eine Besprechung mit einem Cowgirl im Thunderhead Saloon – warum nicht?“ Unvermittelt stand
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