Julia präsentiert Träume aus 1001 Nacht 04
ihr den Verstand raubte.
So darf ich nicht denken, ermahnte sie sich.
Direkt vor ihr öffnete Arash die Tür zum Bad seiner Mutter und stellte die Heizung mitten in den Raum. Lana folgte ihm mit dem Wasser und stellte die kleine Lampe auf.
„Du hast dir Licht mitgebracht?“, fragte er.
Sie griff in ihre Tasche und hielt einen Anzünder hoch. Arash nahm ihn ihr ab und machte ihr die Lampe an. Nachdem er den Glasbehälter wieder aufgesetzt hatte, breitete sich ein warmes Licht im Raum aus. Einen Moment lang standen sie da und sahen sich an.
„Vergiss nicht, dir etwas aus dem Schrank meiner Mutter zu nehmen.“
„Bist du sicher, es ist ihr recht?“
„Es wird ihr jedenfalls nicht gefallen, wenn sie hört, dass du dir nicht genommen hast, was du brauchtest.“
„Danke.“
An der Tür wandte er sich noch einmal zu ihr um.
„Könntest du inzwischen die Suppe durchrühren?“, fragte sie. „Ich werde nicht lange brauchen.“
„Die Suppe“, wiederholte er langsam, als dächte er an etwas anderes. „Ja, ich werde die Suppe umrühren.“
Lana gehörte zu den wenigen Frauen, die sich ihrer eigenen Schönheit nicht bewusst waren. Es mochte daran liegen, dass ihr Vater so wenig zu Hause gewesen war und sie kaum in ihrem Selbstwertgefühl bestärkt hatte. Aber sie war auch schon weit vor der Pubertät eher mollig gewesen. Das hatte Lana nicht gestört. Sie aß viel zu gern.
Trotzdem hatten ihr Männer erzählt, sie sei schön. Lana hatte gegenüber diesen Komplimenten immer eine Skepsis gehabt. Dennoch wusste sie, dass sie attraktiv war, aber sie fragte sich, welche Ansprüche Arash an Schönheit stellte.
Sie richtete sich gerader auf in der kühlen Luft und betrachtete sich in den Spiegeln, die sich in dem Raum befanden. Sie hatte etwas abgenommen, seit sie in Parvan lebte. Und sie hatte sich ihr langes, dichtes Haar kurz schneiden lassen, sodass Locken ihr Gesicht umrahmten. So war das Leben hier einfacher, aber sie hatte sich noch nicht an den fremden Anblick gewöhnt. Seit der Pubertät hatte sie langes Haar gehabt und war mollig gewesen.
Jetzt war sie dagegen knabenhaft schlank, und sie überlegte, ob sie Arash so gefallen könnte. Würde es ihm wie damals Lust bereiten, sie zu streicheln, ihren Hals zu berühren, ihre Schenkel und ihre Brüste? Allein bei der Vorstellung fühlte Lana, wie sie schwach wurde.
Ich habe es nicht vergessen, dachte sie sehnsüchtig.
Doch sie hatte sich dazu durchgerungen, nicht mehr daran zu denken. Aber jetzt fiel es ihr ein, und wenn er sie so anfasste wie gestern Abend … Lana schloss die Augen. Sie ahnte, dass sie ihm hilflos ausgeliefert sein würde. Wenn er sie streichelte, küsste …
„Nun, das liegt an dem beengten Raum“, redete sie sich hastig ein und öffnete die Augen. „Ich mache mich lieber fertig.“
Sie nahm eine der hübschen Glasflaschen und schüttete ein paar Tropfen Öl in das Badewasser.
„Du hast etwas gefunden, das du anziehen kannst“, stellte Arash fest, als sie sich zum Essen setzten. Es gab Suppe, ein paar frische Brötchen und Äpfel zum Nachtisch.
Lana trug einen weiten, gewebten Kaftan aus dunkelblauer und violetter Wolle. Er war warm und wirkte feminin. Die Farbe unterstrich ihren Teint und den Glanz ihres Haares.
Was ihr selbst nicht auffiel, war, dass er auch die Ringe unter ihren Augen hervorhob. Ihre Haut wirkte zart wie Porzellan, und die vergangenen Monate harter Arbeit schienen Spuren hinterlassen zu haben. Arash betrachtete sie nachdenklich.
Sie wirkte, als brauche sie einen Beschützer.
„Du hast zu hart gearbeitet“, meinte er und gab ihr eine Portion Suppe in den Teller. Er hatte sich auch umgezogen. Statt der Jeans trug er eine traditionelle parvanische Hose und aus Baumwolle gestrickte kniehohe Mokassins, ein langes Hemd und eine dunkle Jacke. Das war die typische Kleidung der Leute aus den Bergen.
Lana schaute ihn verwundert an. „Ich habe uns doch nur etwas zu essen gemacht“, erwiderte sie. „Du hast inzwischen die Möbel verschoben und hart gearbeitet.“
„Ich meine nicht hier und jetzt. Ich sehe, dass du weniger kräftig bist als zu dem Zeitpunkt, als du nach Parvan kamst. Ich bin froh, dass Alinor dich zu dieser Pause überredet hat.“
Sie nahm den Teller von ihm entgegen und schaute ihn überrascht an. Es klang fast wie ein Lob, was er da gesagt hatte.
„Ich dachte, es stört dich, dass ich mich einmische“, bemerkte sie leise.
Er griff nach seinem Teller und hielt mitten in der Bewegung
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