Julia präsentiert Träume aus 1001 Nacht 04
Zeichen, dass ihr Scheich der rechten Führung vertraute.
Aber es verbreitete sich die Geschichte über den uralten Stein und seine Kräfte. Selbst aus dem Ausland reisten Gelehrte und Akademiker, Scharlatane und andere herbei, um sich das Wappen von Aram anzusehen. Erst zu Zeiten meines Urgroßvaters kam jemand aus dem Westen, um es zu betrachten.
Und 1917 kam einer der Bediensteten zitternd zu meinem Urgroßvater mit der schrecklichen Nachricht. Arams Rubin sei verschwunden. Das Wappen hing noch an seinem Platz, aber der Stein war entfernt worden.“
Arash machte eine Pause.
„Wie war das möglich?“ Lana schnappte nach Luft, denn, obwohl Arash vollkommen ruhig blieb, konnte sie den Zorn des Scheichs spüren, den er an seine Nachkommen weitergegeben hatte.
„Am Tag davor hatten drei Männer das Dar-i Khoshbakti besucht und sich das Wappen angesehen. Ein Franzose und zwei Engländer. Es ließ sich leider nicht sagen, ob sie zusammengearbeitet hatten oder ob einer von ihnen die Tat allein vollbracht hatte. Die Bediensteten meines Urgroßvaters hatten sich nicht die Mühe gemacht, darauf zu achten, wer allein vor dem Wappen gestanden hatte oder in welcher Reihenfolge die Männer das majlis verlassen hatten. Für sie war ein solcher Diebstahl einfach undenkbar.“
Der Kaffee auf der Kohlenpfanne kochte plötzlich über. Damit war der Bann gebrochen, und Lana zog die Kanne zurück. Sie hatte zwei kleine Tassen hingestellt, die sie mit der dunklen, schäumenden Flüssigkeit füllte.
Arash rührte sich etwas Zucker hinein, während Lana sich erkundigte: „Was hat dein Urgroßvater gemacht?“
Bei dem Lächeln, mit dem er die Frage quittierte, war sie froh, dass sie nicht der Täter gewesen war. Sicherlich war der alte Scheich mächtig erzürnt gewesen. „Mein Urgroßvater hat nichts unternommen. Er meinte nur, wie dumm die Ausländer doch wären, dass sie so mit ihrem Schicksal spielten.“
Lana schaute ihn an. „War das alles? Wollte er nicht wissen, wer ihn gestohlen hatte?“
Arash verneinte.
„Er hatte sämtliche Männer im Tal zusammengerufen und ihnen das beschädigte Wappen gezeigt. Er erinnerte sie daran, dass der Stein demjenigen, der ihn gestohlen hatte, Unglück bringen würde. Er versicherte ihnen auch, dass sich der Rubin bald wieder in seinem Besitz befinden würde, nicht durch Gewalt, sondern durch freiwillige Rückgabe. Der Dieb wäre nicht in der Lage, das Unglück zu verkraften, das ihn befallen würde.
Und genau das ist auch passiert.“
Lana vermochte im ersten Moment nichts zu erwidern. „Wirklich?“
„Innerhalb von drei Wochen wurde meinem Vater der Stein von einem Mittelsmann zurückgebracht, dem eine riesige Summe dafür gezahlt worden war. In einem Begleitbrief bat einer der Männer um Verzeihung.“
„Mehr stand nicht darin?“, wollte Lana wissen.
„Doch, er schrieb, seit er den Stein gestohlen hätte, wäre Unheil über ihn gekommen. Er hoffte, weiteres Unglück zu verhindern, indem er ihn dem rechtmäßigen Besitzer zurückgäbe.“
Sie schaute ihn verblüfft an. „Arash, das ist aber seltsam!“, meinte sie. „Stimmt das?“
Er lächelte und eine Zärtlichkeit trat in seinen Blick, bei der ihr warm ums Herz wurde. „Es stimmt. Der Brief wurde aufbewahrt und ist wahrscheinlich noch hier. Auf jeden Fall habe ich ihn als Kind gesehen. Er war in sehr gestelztem und kaum verständlichem Parvani geschrieben. Ich habe darüber gelacht.“
„Weißt du, was wirklich geschehen war?“
„Nein“, entgegnete er. „Bekannt ist nur, dass der Rubin von einem sehr erschrockenen Mann zurückgebracht wurde.“
Lana erinnerte sich plötzlich an eine tragische Filmserie. „Glaubst du, das wird diesmal auch wieder passieren?“
Doch gleich darauf wünschte sie sich, sie hätte nicht gefragt. Denn Arashs Augen verdunkelten sich augenblicklich, als sie ihn an seinen Verlust erinnerte. Er schüttelte den Kopf.
„Ich habe keine Ahnung, wieso es verschwunden ist. Vielleicht ist es weggebracht und durch die Bomben zerstört worden. Es kann auch gestohlen worden sein. Der Dieb kann sogar umgekommen sein und es versteckt haben, ohne eine Spur zu hinterlassen.
Ich weiß auch nicht, wann es verschwunden ist. Ich habe weder mit meinem Vater noch mit meinem Bruder gesprochen, ehe sie gefallen sind“, erklärte er. „Wir haben an verschiedenen Fronten gekämpft. Während des Krieges und auch danach waren sehr viele Fremde im Tal.“
Sie vermochte nichts darauf zu erwidern. „Es
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