Julia präsentiert Träume aus 1001 Nacht 04
Aufprall herausgeschleudert worden und hätte sich sämtliche Knochen gebrochen. Oder er wäre in den Fluss gestürzt …
„Jana!“
Sie hörte das schwache Rufen, wirbelte herum und schrie verzweifelt: „Omar? Omar? Wo sind Sie?“
Dann fiel ihr auf, was sie vorhin schon bemerkt haben müsste. Der Streifen Rot auf einem Felsen, als hätte dort eine blutige Hand geruht. Sie schnappte nach Luft und folgte der Spur zum Ufer des Flusses hinunter. Was mochte sie dort vorfinden?
„Hier“, rief er. Jetzt aus der Nähe klang seine Stimme kräftiger, und gleich darauf sah sie ihn. Sofort hastete sie zu ihm, erleichtert und doch beklommen.
Omar lag am Ufer und hatte sich gegen einen Vorsprung zurückgelehnt. Unter seinem Schenkel hatte sich auf dem Boden eine Blutlache gebildet. Der schwarze Stoff seiner Jeans war durchtränkt. Er hatte sich das Hemd ausgezogen und einen Druckverband angelegt, um das Blut zu stoppen, das aus der hässlichen Platzwunde quoll. Aus einer Kopfwunde über der Schläfe rann Blut über Stirn und Wange. Aber er lebte.
„Omar!“, flüsterte sie und sank neben ihm auf die Knie.
Er öffnete seine Augen und begegnete ihrem Blick. „Janam“, sagte er und legte seine Hand an ihre Wange. Sie wandte ihm ihr Gesicht zu, sodass sie ihre Lippen in die Innenfläche seiner Hand drücken konnte. Seine Haut war kalt. Ihr Herz verkrampfte sich.
„Omar, Omar, Gott sei Dank habe ich Sie gefunden!“
„Ja, Mashouka“, erwiderte er benommen und ließ die förmliche Anrede fallen. „Du hast mich gefunden. Ich hatte schon befürchtet, du würdest es nicht schaffen.“ Seine Lider wurden schwer. „Du musst mich zum See bringen, Janam. Kannst du das?“
„Ja“, wisperte sie.
Erneut berührte er ihre Wange, und gleich darauf verlor er das Bewusstsein.
Endlich erreichten sie das Haus am See. Jana blieb einen Augenblick hinter dem Steuer sitzen und atmete dankbar auf. Die Prinzessinnen, die sich auf den Beifahrersitz gezwängt hatten, vermochten nichts zu sagen, so bewegt waren sie.
„Der See!“, hauchte Masha schließlich.
Prinz Omar, der auf dem Rücksitz lag, wachte auf, reckte sich und bemerkte das Haus. Er seufzte tief: „Gut gemacht, Janam!“ Gleich darauf verlor er wieder das Bewusstsein.
Am liebsten wäre Jana umgekehrt und zum Palast zurückgefahren, damit Omar im Krankenhaus versorgt werden konnte. Aber abgesehen davon, dass sie es nicht riskieren wollte, Omar in seinem Zustand zu transportieren, musste sie auch noch an Jalal denken. Sicherlich gehörten mehr Leute zu seiner Bande als die paar Reiter, die sie verfolgt hatten. Obwohl sie fürchtete, dass Omar im Delirium war, konnte sie nur das tun, was er gesagt hatte, nämlich zum See fahren und hoffen, dass es in der Nähe ein Dorf mit medizinischer Versorgung gab.
Leider hatte Jana keinerlei medizinische Kenntnisse, und entsprechend groß war ihre Angst. Omar hatte eine schreckliche Platzwunde am Bein, aber die Verletzung am Kopf machte ihr nicht minder Sorgen. Woher sollte sie wissen, ob er nicht einen Schädelbruch erlitten hatte oder gar eine Gehirnverletzung? Vielleicht hätte sie ihn nicht mal den steilen Hang hinaufschleifen dürfen. Andererseits hätte sie ihn auch nicht dort liegenlassen können, bis sie Hilfe geholt hatte.
Auf dem See angelte ein Mann. Als sie dort anhielten, kam er ans Ufer gerudert, und während Jana mit den beiden Mädchen ausstieg, winkte er ihnen und rief ihnen etwas zu. Masha und Kamala sprangen erfreut hoch. „Baba Musa! Baba Musa!“, riefen sie.
„Wer ist Baba Musa?“, fragte Jana.
„Er kümmert sich für meinen Vater ums Haus, Jana Khanum“, erklärte Masha und vermochte nach all dem Schrecken und der Anstrengung nicht mehr korrekt Englisch zu sprechen.
„Er kümmert sich um Prinz Omars Haus?“, wollte Jana wissen und atmete erleichtert auf.
„Ja, Jana Khanum.“
„Sag ihm, dass dein Vater einen Unfall hatte“, verlangte sie.
Als der weißhaarige Mann mit dem wettergegerbten Gesicht lächelnd auf sie zukam, konnte man sehen, dass er reichlich Zahnlücken hatte und wesentlich älter wirkte, als er vermutlich war.
Die beiden Mädchen redeten aufgeregt mit ihm, fassten ihn an den Händen und hüpften vor Aufregung und Freude herum. Die Worte, die aus ihnen heraussprudelten, waren nicht Arabisch, sondern Parvani. Sie zogen ihn zu Jana und stellten sie ihm als „Jana Khanum“ vor.
Lächelnd reichte Jana ihm die Hand. Baba Musa nahm sie entgegen und begrüßte sie. Dann aber
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