JULIA PRÄSENTIERT TRAUMZIELE DER LIEBE Band 01
verspreche, mich wie ein perfekter Gentleman zu benehmen?“
„Leider sind Sie kein Gentleman.“
Ein Schatten huschte über seine Züge, dann hob er bedauernd die Schultern. „Vielleicht habe ich das verdient.“ Er stellte die Flasche auf den großen ovalen Tisch und ergriff Bryonys Hand. „Sie haben Staub im Gesicht.“ Mit dem Zeigefinger strich er sanft über ihre Wange, und in seinen Augen lag ein Ausdruck, den sie noch nie zuvor bemerkt hatte. Raphael verbeugte sich vor ihr. „Nun gut, Signorina. Ich überlasse sie jetzt Ihrem einsamen Mahl. Buon appetito.“ Er hob ihre Hand an die Lippen und küsste sie zart. Nach einem letzten Blick auf Bryony wandte er sich um und eilte zur Tür, die Giovanni für ihn geöffnet hatte.
Auf der Schwelle hielt er noch einmal inne. Beinahe zaghaft schaute er zurück und winkte ihr zu. „ Arrividerci, Bryony.“
War das ein gewöhnlicher Abschiedsgruß oder eine Drohung? Bryony wusste es nicht und antwortete nicht darauf. Als das schwere Portal hinter ihm ins Schloss fiel, machte Bryony mit Giovanni einen Rundgang durchs Haus, um sich zu vergewissern, dass alle Türen und Fenster verriegelt waren.
Kurz darauf brach das Ehepaar auf, und Bryony trug ihr Abendessen auf einem Tablett in den kleinen Salon, wo der Fernseher stand. Nach ein paar Bissen erhob sie sich und kehrte in die Halle zurück, um den Wein, den Raphael ausgesucht hatte, zu holen. Er war wirklich ausgezeichnet. Zumindest in diesem Punkt wusste er Bescheid.
Trotzdem war Bryony sich sicher, dass Raphael mehr war als nur ein Weinkenner. Er glich einem Eisberg, und in ähnlicher Weise lag auch bei ihm der größte Teil seiner Persönlichkeit unter einer dunklen Oberfläche verborgen. Voller Unbehagen fragte Bryony sich, was ihn bewogen haben mochte, sie zu küssen. War es nur ein aus der Situation entsprungener Impuls gewesen, oder war er mit dem festen Vorsatz zur Villa gekommen, sie zu verführen? In der Stadt hatte er sie wegen des Vorfalls mit Alessandro beschuldigt, leichtfertig zu sein. Vielleicht hatte er beschlossen, selbst sein Glück bei ihr zu probieren, obwohl er nicht der Typ zu sein schien, der flüchtige Affären suchte. Nein, er musste ein anderes Motiv haben. Und das einzige, das Bryony sich vorstellen konnte, war, dass er Etta in irgendeiner Weise schaden wollte.
Nachdem sie ihre Mahlzeit beendet hatte, füllte Bryony ihr Glas und trat durch die Fenstertüren auf die Terrasse heraus. Das Mondlicht tauchte den Garten in silbernes Licht, und die Luft war erfüllt vom Duft der Frühlingsblumen.
Das Anwesen war es wirklich wert, darum zu kämpfen. Es musste für Raphael ein schwerer Schlag gewesen sein, als sein Onkel in fortgeschrittenem Alter noch einmal heiratete und das Haus seiner Witwe vermachte, schließlich war Raphael hier aufgewachsen und betrachtete die Villa als sein Heim. Etta hatte allen Grund, sich vor ihm zu fürchten, auch wenn er keine körperliche Gewalt anwendete.
Bryony versuchte, ihre eigene Rolle in diesem Familienstreit so nüchtern wie möglich zu analysieren. Da sie nicht zu der Altersgruppe gehörte, die Etta zu ihren üblichen Freunden zählte, musste sie Raphaels Neugier erregen. Vermutlich ärgerte es ihn, dass seine Spione im Ort nichts über sie wussten. Also hatte er beschlossen, selbst etwas über sie herauszufinden, indem er sie zum Dinner einlud. Ein Beweis mehr, wie arrogant dieser Mann war. Bildete er sich tatsächlich ein, sie würde sein Angebot annehmen, nachdem er sie so herablassend behandelt hatte? Er hält sich offenbar für ein Geschenk der Götter an die Frauen, dachte Bryony bitter. Aber taten das nicht alle Männer? Besonders die italienischen, die seit Jahrhunderten von ihren weiblichen Verwandten verwöhnt und verhätschelt wurden. Raphael war attraktiv genug, um die meisten Frauen um den Finger zu wickeln, warum sollte er es nicht auch bei ihr probieren? Schließlich hielt er sie für eine leichtfertige Person.
Bryonys Wangen röteten sich vor Zorn. Na schön, sie wusste jetzt, weshalb er sie geküsst hatte. Aber würde er wirklich so tief sinken, nur um herauszubekommen, wer sie war? Sie bezweifelte das. Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte er etwas viel Teuflischeres im Sinn. Zum Beispiel, sie zu veranlassen, Etta auszuspionieren, da er auf Giovanni und Maria nicht zählen konnte. Dieser Schuft!
Bryony nahm einen tiefen Schluck aus ihrem Glas und dachte an die plötzlich aufflammende Anziehungskraft, die sie im Keller verspürt hatte.
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