Julia Quinn
ins
Wort. »Dann ist die Angelegenheit ja entschieden.«
»Nein, das ist sie nicht«,
widersprach sie. »Die Tatsache bleibt bestehen, dass ich euch helfen kann. Und
du könntest mich brauchen.«
Er fasste sie an den Armen und sah
ihr fest in die Augen. »Ich brauche dich hier, Caroline. Gesund und munter.«
Sie schaute zu ihm auf und entdeckte
in seinen grauen Augen etwas, das sie nie dort zu sehen erwartet hätte –
Verzweiflung. Das entschied die Angelegenheit. »Nun gut«, flüsterte sie. »Ich
werde bleiben. Aber ich bin nicht glücklich darüber.«
Ihre letzten Worte wurden gedämpft,
als er sie in einer erdrückenden Umarmung an sich zog. »Danke«, murmelte er in
ihr Haar, und sie war sich nicht sicher, ob er zu ihr oder zu Gott sprach.
Der folgende Abend war der schlimmste in Carolines
ganzem Leben. Blake und James waren kurz nach dem Abendessen aufgebrochen,
bevor der Himmel sich auch nur dunkel gefärbt hatte. Sie hatten behauptet,
dass sie sich die Umgebung der Stelle einprägen wollten. Als Caroline eingewandt hatte, dass jemand sie bemerken könnte, hatten sie bloß gelacht. Blake
sei als Landbesitzer hier in der Gegend bekannt, hatten sie geantwortet. Warum
sollte er nicht mit einem seiner Freunde ausreifen? Die beiden planten sogar,
im Dorfgasthof einzukehren und einen Krug Ale zu bestellen, um den Eindruck
zu untermauern, sie wären lediglich zwei gelangweilte Edelmänner auf der Suche
nach ein wenig Abwechslung.
Caroline musste zugeben, ihre
Erklärungen hatten Sinn gemacht, doch sie konnte das unbestimmte Angstgefühl,
das sie beschlich, nicht abschütteln. Sie wusste, sie sollte ihrem Ehemann und
James vertrauen; schließlich hatten sie schon jahrelang zusammen für das
Kriegsministerium gearbeitet. Sie sollten eigentlich wissen, was sie da taten.
Aber irgendwie hatte sie kein gutes
Gefühl. Das war alles, ein lästiges, ungutes Gefühl, das einfach nicht
vergehen wollte. Sie hatte außer an ihre gemeinsamen Ausflüge, um die Sterne zu
betrachten, nur wenige Erinnerungen an ihre Mutter. Doch Caroline war im
Gedächtnis haften geblieben, wie sie einmal lachend zu ihrem Vater gesagt
hatte, weibliche Intuition wäre so zuverlässig wie Gold.
Als sie vor Seacrest Manor stand,
schaute Caroline zum Mond und den Sternen empor und sagte: »Ich hoffe nur, du
wusstest, wovon du sprachst, Mutter.«
Sie wartete, dass sie das Gefühl von
Frieden überkäme, das der Nachthimmel ihr gewöhnlich schenkte, aber zum ersten
Mal in ihrem Leben stellte es sich nicht ein.
»Verflixt«, fluchte sie. Sie schloss
kurz die Augen, dann blickte sie erneut nach oben.
Nichts. Sie fühlte sich immer noch
schrecklich.
»Du liest zu viel hinein«, sagte sie
sich. »Du hast noch nie in deinem Leben auch nur eine Unze weiblicher Intuition
gehabt. Du weißt noch nicht einmal, ob dein eigener Ehemann dich nun liebt
oder nicht. Meinst du nicht auch, eine Frau mit Intuition müsste wenigstens das wissen?«
Mehr als alles andere wollte sie
sich gerade jetzt in den Sattel schwingen, zu Blakes und James' Rettung
davongaloppieren, aber sie wusste, dass Blake ihr das nie verzeihen würde.
Vertrauen war so kostbar, so zerbrechlich, und sie wollte das zarte Band
zwischen Blake und ihr nicht schon wenige Tage nach der Hochzeit zerstören.
Vielleicht, wenn sie zum Strand
hinabging, dorthin, wo sie und Blake sich zum ersten Mal geliebt hatten.
Vielleicht würde sie dort Frieden finden.
Der Himmel wurde dunkler, aber
Caroline kehrte dem Haus den Rücken zu und schritt zu dem Pfad, der die Klippen hinab zum Wasser führte. Sie durchquerte den Garten und hatte gerade einen
Fuß auf den steinigen Weg gesetzt, als sie etwas hörte.
Ihr blieb fast das Herz stehen. »Wer
ist da?« verlangte sie zu wissen.
Nichts.
»Sei nicht einfältig«, ermahnte sie
sich selbst. »Geh einfach weiter ...«
Beinahe wie aus dem Nichts traf sie
ein kräftiger Schlag am Rücken, der sie zu Boden warf. »Kein Wort«, knurrte
eine Stimme an ihrem Ohr.
»Oliver Prewitt?« würgte sie hervor.
»Ich sagte doch, kein Wort!« Er
legte ihr unsanft seine Hand über den Mund.
Es war ihr ehemaliger
Vormund. Ihre Gedanken überschlugen sich. Was, zur Hölle, hatte er
hier zu suchen?
»Ich werde dir jetzt ein paar Fragen
stellen«, sagte er mit gefährlich ruhiger Stimme. »Und du wirst mir ein paar
Antworten geben, verstanden?«
Sich gegen das lähmende Entsetzen
wehrend, das sie beschlich, nickte sie.
»Für wen arbeitet dein Ehemann?«
Sie riss die Augen
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