Julia Quinn
mit schmalem Lächeln.
»Ich bin vierundzwanzig. Ich habe Harriet, Elizabeth und Frances in meiner
Obhut.«
»Dann gnade Ihnen Gott«, murmelte Iris.
Honoria konnte sich nicht dazu durchringen, ihr zu widersprechen.
Sarahs jüngere Schwestern waren, jede für sich genommen, reizend. Zusammen
jedoch ... Im Hause Pleinsworth spielten sich nicht umsonst so viele Dramen ab.
Sie seufzte. »Ich glaube, wir sollten anfangen
zu proben.«
»Ich muss Sie warnen«, sagte Anne. »Ich
bin nicht besonders gut.«
»Schon in Ordnung. Wir auch nicht.«
»Das stimmt nicht!«, protestierte Daisy.
Honoria beugte sich zu Miss Wynter, sodass die anderen sie nicht
hören konnten, und flüsterte: »Iris ist in Wahrheit recht talentiert, Sarah hat ganz ordentlich gespielt, aber Daisy und ich
sind fürchterlich. Mein Rat: Setzen Sie eine tapfere Miene auf und wursteln Sie
sich ansonsten durch.«
Anne sah sie ein wenig beunruhigt an. Honoria zuckte mit den
Schultern. Sie würde bald genug erfahren, was es bedeutete, auf einer
Smythe-Smithschen musikalische Soiree aufzutreten.
Marcus war früh dran, aber nicht ganz sicher, ob er sich durch sein
rechtzeitiges Erscheinen einen Sitz ganz vorn oder doch lieber ganz hinten
sichern wollte. Er hatte Blumen dabei – keine Traubenhyazinthen, die hatte
ohnehin niemand im Angebot, sondern zwei Dutzend bunte Tulpen.
Nie zuvor hatte er einer Frau Blumen
geschenkt. Er fragte sich, was zum Teufel er mit seinem Leben bisher angefangen
hatte.
Er hatte mit dem Gedanken gespielt, die Veranstaltung auszulassen.
Honoria hatte sich auf Lady Bridgertons Geburtstagsball so merkwürdig
verhalten. Aus irgendeinem Grund war sie ganz offensichtlich zornig auf ihn
gewesen. Er hatte keine Ahnung, weswegen – und ob das überhaupt eine Rolle
spielte. Sie hatte schließlich auch untypisch distanziert gewirkt, als er sie
nach seiner Rückkehr nach London besucht hatte.
Aber als sie dann miteinander getanzt hatten
...
Wie verzaubert war es gewesen. Er hätte schwören können, dass sie
das ebenfalls so empfunden hatte. Der Welt um sie herum war versunken, es
hatte nur noch sie beide gegeben in einem Strudel von Farbe und Musik. Sie war
ihm nicht einmal auf die Füße getreten.
Was an und für sich schon ein Wunder war.
Aber vielleicht hatte er sich das Ganze doch nur eingebildet.
Vielleicht hatte nur er es so empfunden. Denn als die Musik aufgehört hatte,
war Honoria kurz angebunden und schroff gewesen, und obwohl sie behauptet
hatte, sich nicht wohlzufühlen, hatte sie jedes Hilfsangebot abgelehnt.
Er würde die Frauen nie verstehen. Honoria hatte er für eine
Ausnahme gehalten, aber anscheinend hatte er sich getäuscht. Und die letzten
drei Tage darüber gegrübelt, warum das so war.
Am Ende hatte er jedoch erkannt, dass er die musikalische Soiree
nicht auslassen konnte. Sie war schließlich, wie Honoria so eloquent erklärt
hatte, eine Tradition. Er besuchte die musikalischen Soireen der
Smythe-Smiths, seit er alt genug war, sich allein in London aufzuhalten. Wenn
er jetzt nicht hinging, nachdem er behauptet hatte, er sei nur deswegen so kurz
nach seiner Krankheit in die Stadt gekommen, wäre das für Honoria wie ein
Schlag ins Gesicht.
Das konnte er einfach nicht machen. Es spielte
keine Rolle, dass sie zornig auf ihn gewesen war. Es spielte keine Rolle, dass
er zornig auf sie war. Und sich dabei völlig im Recht fühlte: Sie hatte
sich ihm gegenüber höchst seltsam und feindselig benommen und den Grund dafür
nicht einmal angedeutet.
Sie war seine Freundin. Selbst wenn sie ihn niemals lieben würde,
würde sie doch immer seine Freundin sein. Und er brachte es genauso wenig
fertig, sie absichtlich zu verletzen, wie er es fertigbrachte, sich die rechte
Hand abzuhacken.
Auch wenn er sich erst vor Kurzem in sie verliebt hatte, kannte er
sie doch schon seit fünfzehn Jahren. Wegen eines einzigen merkwürdigen Abends
würde er seine gute Meinung von ihr nicht revidieren.
Er ging zum Musikzimmer, wo es wie im Bienenkorb summte, während
die Dienstboten alles für den bevorstehenden Auftritt vorbereiteten. Eigentlich
wollte er nur einen kurzen Blick auf Honoria erhaschen, ihr vor dem Konzert vielleicht
noch ein paar ermutigende Worte sagen.
Zum Teufel, dachte er, eigentlich brauche ich ja die Ermutigung.
Es würde schmerzlich sein, ihr dabei zuzusehen (und zuzuhören), wie sie sich
der Familie zuliebe verstellte.
Er hielt sich steif an einer Seite des Raums und wünschte, er wäre
nicht so früh
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