Julia Quinn
sie durchbohrte ihn mit einem
misstrauischen Blick. »Du bittest mich doch nicht etwa, ein Stück für dich zu
stibitzen, oder?«
»Würdest du das tun?« Er hoffte, dass seine Miene ebenso
erbarmungswürdig war wie sein Ton.
»Nein!« Aber sie presste die Lippen zusammen, in einem
ziemlich offensichtlichen Versuch, nicht zu lachen. »Sirupkuchen ist für
Kranke nicht geeignet.«
»Ich wüsste nicht, warum nicht«, erwiderte er. Im Brustton
der Überzeugung.
»Weil ein Kranker Brühe essen muss. Und Kalbssülze. Und Lebertran.
Das weiß doch jeder.«
Schon beim bloßen Gedanken daran drehte sich ihm der Magen um.
»Haben dir diese Köstlichkeiten denn je geholfen?«
»Nein, aber ich glaube, darum geht es
nicht.«
»Worum geht es denn sonst?«
Sie öffnete die Lippen, um eine schlagfertige Antwort zu geben,
doch dann wurde sie auf einmal ganz still. Ihre Augen rollten nach oben, dann
nach links, es sah aus, als suchte sie in ihrem Gehirn nach einer guten
Antwort. Schließlich sagte sie sehr bedächtig: »Ich weiß nicht.«
»Dann besorgst du mir ein Stück?« Er schenkte ihr sein
schönstes Lächeln. Sein schönstes Ich-wäre-beinahe-gestorben-wie-kannst-du-mir-da-etwas-abschlagen-Lächeln. Zumindest hoffte er, dass es diesen Eindruck vermittelte. In Wahrheit war
er im Flirten nicht sehr begabt, es war also gut möglich, dass es eher wie ein Ich-bin-leicht-geistesgestört-daher-tust-du-ambesten-so-als-stimmtest-du-mir-in-allem-zu-Lächeln wirkte.
»Hast du irgendeine Vorstellung davon, in welche Schwierigkeiten
ich geraten könnte?«, fragte Honoria. Sie beugte sich verstohlen vor, als
würde ihnen wirklich jemand nachspionieren.
»Wohl kaum«, erwiderte er. »Das ist
schließlich mein Haus.«
»Das spielt keine große Rolle, wenn es gegen den vereinten Zorn
von Mrs Wetherby, Doktor Winters und meiner Mutter geht.«
Er zuckte mit den Schultern.
»Marcus ...«
Sie sah ihn an. Er spürte, wie ihr Widerstand erlahmte, und
versuchte, besonders erbarmungswürdig auszusehen.
»Ach, na schön.« Sie stieß ein kurzes Schnauben aus und kapitulierte,
allerdings bemerkenswert unwillig. »Muss ich jetzt gleich gehen?«
Fromm faltete er die Hände. »Das würde ich sehr zu schätzen
wissen.«
Sie bewegte den Kopf nicht, doch ihr Blick bewegte sich erst in
die eine, dann in die andere Richtung. Ihm war nicht ganz klar, ob sie
verstohlen wirken wollte. Dann stand sie auf, strich sich über ihren hellgrünen
Rock. »Ich komme wieder«, sagte sie.
»Ich kann es kaum erwarten.«
In der Tür und wandte sie sich noch einmal um.
»Mit Kuchen.«
»Du bist meine Retterin.«
Ihre Augen wurden wieder schmal. »Dafür habe ich bei dir dann aber
etwas gut.«
»Du hast bei mir wesentlich mehr gut als Sirupkuchen«, sagte
er ganz ernst zu ihr.
Ohne ein weiteres Wort verließ sie den Raum
und ließ Marcus mit der leeren Terrine und ein paar trockenen Brotrinden zurück.
Und mit den Büchern. Vorsichtig, um nicht das Glas mit lauwarmem Zitronenwasser
umzustoßen, das Mrs Wetherby für ihn zubereitet hatte, schob er das Tablett auf
die andere Seite des Betts. Dann beugte er sich zum Nachttisch, nahm das erste
Buch und sah es sich an. Pittoreske Beschreibung der erhabenen, schönen,
wunderbaren und interessanten Szenerie um Loch Earn.
Lieber Himmel, das hatte sie in seiner
Bibliothek gefunden?
Er sah sich das nächste Buch an. Miss Butterworth und der
verrückte Baron. Normalerweise würde er so etwas nicht lesen, aber neben Pittoreske
Beschreibung der erhabenen, schönen, etcetera irgendwo in Schottland werde ich
dich zu Tode langweilen klang es direkt spannend.
Er sank in die Kissen, schlug das Buch auf und machte sich an die
Lektüre.
»Es
war eine dunkle und windige Nacht.«
Hatte
er das nicht schon mal gehört?
.. Miss Priscilla Butterworth war sich gewiss, dass es jeden
Augenblick zu regnen begönne. In Strömen würde er vom Himmel fallen ... «
Als Honoria zurückkehrte, war Miss Butterworth bereits auf einer
Türschwelle zurückgelassen worden, hatte eine Seuche überlebt und war von einem
Wildschwein gehetzt worden.
Eine leichtfüßige Dame, diese Miss
Butterworth.
Eifrig blätterte Marcus zum dritten Kapitel, in dem Miss
Butterworth vermutlich über eine Heuschreckenplage stolpern würde. Er war so
gebannt von seiner Lektüre, dass er erst aufblickte, als Honoria schwer atmend
in der Tür stand, in der Hand ein Geschirrtuch.
»Du hast es nicht bekommen?«, fragte er und sah sie über den
Rand von Miss
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