Julia Saison Band 05
gemerkt. Man wird nicht so einfach vom Büro des stellvertretenden Direktors in den Keller versetzt. Ist doch klar, dass sich alle fragen, warum, und aus der Geschichte widerwärtige und erniedrigende Schlussfolgerungen ziehen.“
Sabrina reckte das Kinn. Leider war ihr völlig klar, dass sie in den staubigen und zerrissenen Jeans, dem extragroßen T-Shirt und den abgetragenen Turnschuhen eher wie eine Obdachlose als wie die persönliche Assistentin eines Managers aussah.
Den Tränen nahe bemühte sie sich, ihr letztes bisschen Selbstachtung zu bewahren und erklärte: „Ich verspreche Ihnen, Mr Masters, dass ich Ihnen jeden Cent von dem Geld zurückzahle, das Sie gerade Mrs Finch gegeben haben. Aber jetzt lassen Sie mich bitte in Ruhe.“
Collin folgte ihr nach draußen. „Auf das Risiko hin, dass Sie mir Ihre Handtasche um die Ohren hauen – darf ich fragen, was Sie jetzt machen wollen? Ohne ein Dach über dem Kopf, Kleidung und Geld?“
Sabrina blieb im Schatten des alten Hauses stehen. Das Laub der Bäume leuchtete golden an diesem strahlenden Herbsttag, und der Wind war stark genug, um ihr Haar ganz aus dem Pferdeschwanz zu zerren. Während sie hastig ihr Haarband wieder festmachte, versuchte sie verzweifelt, sich etwas einfallen zu lassen.
Collin wagte sich einen Schritt vor und musterte sie. „Wann haben Sie das letzte Mal etwas gegessen?“
„Ich glaube, irgendwann so gegen …“
„Um die Ecke von meiner Wohnung gibt’s ein tolles Bistro“, sagte Collin. Sanft führte er sie zu seinem schwarzen Mercedes. „Ich wette, die machen Ihnen alles, was Sie wollen.“
„Und was wollen Sie?“, fragte sie mit einem Seitenblick. „Niemand hat Sie gebeten, diesen Scheck auszustellen. Was ist passiert? Hat dieser Wynne, Wooster oder wie auch immer er heißt, den Sie angestellt haben, nachdem Sie mich abserviert haben, Sie belästigt?“
„Geoffrey Wygant ist ein hervorragender Assistent. Und seit zwanzig Jahren mit seinem Lebenspartner Duke zusammen.“
„Entschuldigen Sie bitte. Das hätte ich nicht sagen sollen. Es ist nur …“
„Der Schock und der niedrige Blutzuckerspiegel.“ Collin fuhr los und bog an der nächsten Ecke scharf rechts ab. „Geoff war einfach nur der erste Bewerber, der besser buchstabieren konnte als ein Grundschüler. Wesentlich beeindruckender ist sein unschlagbares Talent, für jeden Kunden das richtige Restaurant zu finden.“
So viel also zu ihrem Lieblingstagtraum, in dem Collin Masters zugab, dass er einen Fehler gemacht hatte, und sie mit Blumen und dem Schlüssel für einen weißen Porsche bat, wieder seine Assistentin zu sein. Sie musste sich ein bitteres Lachen verbeißen und bekam einen Hustenanfall.
„Das meine ich ganz ernst.“
„Das ist es nicht.“ Sie schnappte nach Luft. „Ich kann einfach nicht mehr gleichzeitig denken und atmen. – Herzlichen Glückwunsch.“ Sie hoffte, dass sich das aufrichtig anhörte. „Ehrlich, ich wünsche Ihnen eine lange und gute Zusammenarbeit.“ Aber jetzt wusste sie genauso wenig wie vorher, warum er sich in ihr jämmerliches Dasein eingemischt hatte.
Als ob er ihre Gedanken lesen könnte, sagte Collin plötzlich: „Okay, damit Sie mir nicht aus dem Auto springen, sage ich lieber, warum ich hier bin. Cassidy ist nach Afghanistan abkommandiert worden.“
„Oh nein!“
Und da hatte sie gedacht, es konnte nicht noch schlimmer kommen. Sie mochte seine Schwester nicht nur, Sabrina wusste auch, wie nahe Collin seiner einzigen Schwester stand.
„Das tut mir ja so leid“, fügte sie eilig hinzu.
„Danke.“
Collin bog auf den Parkplatz des Restaurants ein. Bis sie an einem Tisch in einer ruhigen Ecke neben der Bar saßen, hatten sie keine Gelegenheit, sich weiter zu unterhalten. „Hier schmeckt alles sehr gut. Aber wenn Sie wirklich hungrig sind, empfehle ich das ‚Prime Rib‘-Steak. Das würde sogar aus einem vegetarischen Eichhörnchen einen Fleischfresser machen.“
Sie war versucht, darauf zu bestehen, dass er den Preis für das Abendessen zu ihren Schulden addierte. Aber dann wurde ihr klar, wie kleinlich das aussehen würde. Also nickte sie. „Danke. Das nehme ich.“ Ihr lief bereits das Wasser im Mund zusammen.
Von all der Aufregung fühlte sie sich ziemlich aufgelöst, außerdem waren ihre Hände noch immer staubig. „Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich mich gerne ein bisschen frisch machen.“
Sabrina verschwand in der Damentoilette. Als sie in den Spiegel über dem Waschbecken sah,
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