Julia Saison Band 05
schnappte sie nach Luft. In diesem Licht wirkte ihr Anblick noch schlimmer als befürchtet. Schnell zog sie eine Bürste aus ihrer Handtasche und bearbeitete damit ihre schulterlange Mähne, bis das Haar glänzte. Auch wenn es immer noch kraftlos herabhing. Sie wusch sich das Gesicht und erneuerte Mascara und Lipgloss. Der Versuchung, mehr Make-up aufzulegen widerstand sie. Das wäre einfach zu offensichtlich. Außerdem wollte sie ja nur verhindern, dass ihm bei ihrem Anblick der Appetit verging. Mehr nicht.
„Also, wie wird Cassie damit fertig?“, fragte sie, als sie sich wieder an den Tisch setzte.
Collin hatte schon seinen halben Whisky getrunken. „Die ist nicht kleinzukriegen. Sie wissen doch, Cassie ist einfach verrückt nach dem Fliegen. Das ist eben der Preis dafür.“
„Aber ihre Babys …“
„Ist ja jetzt ein paar Monate her, seit Sie Bilder gesehen haben.“ Er griff nach seiner Brieftasche und klappte sie auf. Ein Foto zeigte die beiden Mädchen in Miniaturausführungen der Pilotenuniform ihrer Mommy. Sie standen in der Türöffnung des Helikopters ihrer Mutter, umringt von lächelnden Crewmitgliedern.
„Oh, wie süß! Die beiden sehen ihr immer ähnlicher.“
„Also, Gena ist so begeistert von ihren Locken, dass sie schreit wie am Spieß, wenn ihr jemand mit einer Schere zu nahe kommt. Insofern ist diese Ähnlichkeit für Cassie vielleicht mehr ein Fluch als ein Segen. Was Addie angeht, hat Cassie gedroht, ihr einen Irokesenschnitt zu verpassen, wenn die Kleine weiter darauf besteht, dass ihre Haare abgeschnitten werden.“
Sabrina lächelte und nahm einen Schluck Wein. „Wem vertraut Cassidy denn ihre Kinder an, wenn sie weg ist? Das muss die schwerste Entscheidung ihres Lebens sein.“
„Allerdings.“ Immer wieder drehte Collin sein Glas in der Hand hin und her. „Ich bin froh, dass Sie da meiner Meinung sind.“
„Wie bitte?“ Die Art und Weise, wie er sich ganz auf seinen Drink konzentrierte und gleichzeitig nervös damit herumspielte, brachte Sabrina auf die richtige Spur. Ihr Magen machte einen Salto. „Doch nicht etwa Sie!“
„Wie schmeichelhaft. Wen hatten Sie denn erwartet?“
Sie wusste natürlich, dass es keine anderen Verwandten mehr gab. Aber es musste doch andere Möglichkeiten geben. „Haben Sie nicht mal am Telefon zu einem Kunden gesagt, dass für Sie ein perfekter Sonntag darin besteht, bis mittags zu schlafen? Mit einer Freundin in Ihrem Bett?“
Collin fuhr fort, sein Glas wie einen Handschmeichler zu bearbeiten. „Natürlich muss es ein paar Veränderungen geben. So leidenschaftlich, wie Sie in dieser Angelegenheit sind, werden Sie Cassidys Idee sicher gutheißen.“
„Das wette ich.“
Collin stieß ein freudloses Lachen aus. „Cassidy hat Sie empfohlen.“
„Wie bitte?“
„Cass verlangt, dass ich Sie anstelle, damit Sie mir helfen. Und dass Sie solange bei mir wohnen.“
Hätte sie gerade ihr Weinglas in der Hand gehabt, wäre es mit Sicherheit auf dem Boden gelandet. „Das tut sie nicht. “
„Sie war vom ersten Tag an von Ihnen begeistert. Das müssen Sie doch gemerkt haben.“
„Sie war nett zu mir, und das wusste ich zu schätzen. Sie wären überrascht, wie viele Ihrer hochnäsigen Kunden nicht in der Lage sind, zu jemandem höflich zu sein, den sie für weniger wichtig halten als sich selbst.“
„Warum haben Sie mir das nicht gesagt?“, fragte Collin stirnrunzelnd.
„Ich hatte den Eindruck, dass Ihre Kunden Ihnen wertvoller sind als Ihre Mitarbeiter.“
Collin räusperte sich. „Cassie ist der Ansicht, dass Sie außerordentlich vernünftig und zuverlässig sind. Im Nachhinein kann ich da nicht widersprechen.“
Was hatte ihm an ihr nicht gepasst? War sie ihm für seine zynische Weltsicht zu fröhlich und zu optimistisch? Aber weil er sie gerade heldenhaft aus größter Not gerettet hatte, verbiss sie sich eine entsprechende Bemerkung.
„Bitte danken Sie Cassidy von mir.“ Sabrina strich Butter auf ein Stück Brot. „Sagen Sie ihr, dass ich an sie denken und für sie beten werde. Aber dieses Angebot kann ich auf keinen Fall annehmen.“
„Das können Sie schon. Sie wollen nur nicht.“
Sie fixierte ihn mit ihrem Blick. „Nein, ich kann nicht.“ Aber als sie die Angst in seinen Augen sah, schaffte sie es nicht, ihre entschiedene Haltung aufrechtzuerhalten. „Wann geht der Einsatz los?“
„Spätestens Thanksgiving, vielleicht auch früher. Ich nehme nicht an, dass Sie bereit wären, nach dem Essen mit mir
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