Julia Saison Band 05
im Sommer begnügen.
Wenn sie Glück hatten …
„Bist du noch da?“, fragte Tanner.
„Ja, also … ich schätze, ich war gerade damit beschäftigt, mir auszumalen, was passiert, wenn meine schlimmsten Befürchtungen wahr werden.“
„Keine gute Idee. Ich komme am Sonntag. Und wenn der Typ dann noch da ist, verspreche ich, mich zu benehmen.“
„Mehr kann ich nicht von dir verlangen.“
„Klar könntest du.“ Er wünschte ihr eine gute Nacht, und sie legten auf.
Noch mindestens eine Stunde lag Kelly in der Dunkelheit wach und musste daran denken, was schlimmstenfalls passieren könnte, obwohl sie geschworen hatte, das nicht zu tun.
Mitch bemühte sich, seine Tochter nicht anzustarren, während sie ihr Müsli hinunterschlang. Ein Tropfen Milch hing an ihrem Kinn. Ihr hellbraunes Haar war sauber gebürstet und fiel ihr seidenglatt und gerade über die Schultern fast bis zum Po hinunter. Sie hatte einen flauschigen grünen Pullover an und einen kurzen Jeansrock, dazu Leggings und schwarze Schnallenschuhe. Jetzt nahm sie ihre Serviette und wischte sich die Milch ab.
Er nahm einen Schluck Kaffee und bemühte sich darum, natürlich zu wirken. „Sag mal, DeDe …“
Sie sah ihn an und nahm noch einen Löffel Müsli.
„Deine Mom hat gesagt, dass du nach der Schule Ballettunterricht hast.“
„Mhm.“ Sie fuhr fort, Müsli zu löffeln.
Er war geradezu lächerlich nervös. „Wie wäre es, wenn ich dich und deine Freundinnen abhole und zum Tanzstudio fahre?“
DeDe runzelte die Stirn. „Holst du uns dann auch ab?“
„Jawohl.“
„Heute ist Mrs Lu mit dem Fahren dran …“
Er stellte sich vor, wie er die Mutter des anderen Mädchens anrief. Was würde er sagen? „Ich bin Deirdres Vater, aber das weiß sie noch nicht.“ Oder: „Ich bin ein Freund der Familie Bravo und ich würde heute gerne die Kinder zur Tanzstunde fahren …“
Ja, das würde bestimmt toll ankommen. „Ich sage dir was“, erklärte er, „vielleicht könnten Kelly und ich ja einfach zum Studio kommen und dir bei der Tanzstunde zuschauen.“
„Mitch“, sagte Kelly, „ich arbeite bis um fünf. Ich glaube nicht, dass ich rechtzeitig da sein kann, um viel von der Stunde mitzubekommen.“
„Aber du könntest doch alleine kommen, Mitch“, schlug DeDe vor. „Ich meine, wenn du Lust hast …“
Erfolg! Seine Tochter hatte ihn tatsächlich eingeladen, ihr bei der Tanzstunde zuzuschauen. Doch dann erinnerte er sich daran, was Kelly gesagt hatte. Dass er dem Kind Freiraum lassen sollte. Er nahm einen Schluck Kaffee und gab sich locker. „Ich werde da sein.“
DeDe nickte. „Okay.“
Nachdem DeDe sich auf den Weg zur Schule gemacht hatte, gab Kelly ihm einen Hausschlüssel. „Ich schätze, du musst irgendwie ins Haus kommen, wenn ich nicht da bin.“ Sie legte den Schlüssel auf den Tisch und schob ihn zu Mitch hinüber.
Er fing den Schlüssel auf. „Danke.“
„Du musst es ihr sagen.“
Ehrlich gesagt hatte er darüber nachgedacht. Intensiv. Und nicht nur während des Frühstücks, sondern die ganze Nacht lang. „Ich weiß.“
Sie sah ihn an und lächelte beinahe. Er musste daran denken, wie sehr ihm ihre geschwungenen Lippen gefielen und wie sehr er sie küssen wollte, obwohl er wusste, dass das keine gute Idee war. Er vertraute ihr nicht. Konnte ihr nicht vertrauen. Ganz egal wie sehr sie versuchte, es zu leugnen: Sie hatte ihm sein Kind vorenthalten. Zwar behauptete sie, dass ihr Bruder nach ihm gesucht hatte, aber das glaubte er nicht. Niemals.
„Dann hast du es dir anders überlegt.“
„Ja. Ich glaube, du hast recht. Es ist, als ob ich sie anlüge, wenn ich ihr nicht sage, wer ich bin. Also werde ich es tun.“
„Wann?“
„Heute Abend.“
DeDes Ballettstunde fand im selben Tanzstudio statt wie tags zuvor der andere Kurs, diesmal in einem Raum im Erdgeschoss. Wie bei dem Übungsraum im oberen Stockwerk gab es einen Wartebereich für Eltern, die zuschauen wollten.
Bis auf zwei Stühle waren alle besetzt. Mitch war der einzige Mann weit und breit – auf beiden Seiten des Fensters. Er setzte sich auf einen der beiden freien Plätze.
DeDe entdeckte ihn und winkte ihm zu. Dann klatschte die Lehrerin in die Hände, damit die Kinder aufpassten. Daraufhin folgte eine halbe Stunde mit Übungen, die auf Mitch wie Aufwärmübungen am Barren wirkten. Füße wurden in verschiedene Positionen bewegt, Beine in alle Richtungen gehoben, und dann waren da noch diese – wie hießen sie doch gleich? –
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