Julia Saison Band 05
Pliés?
Als Nächstes wurde gerannt und sich im Kreis gedreht. DeDe war ziemlich schlecht. Ehrlich gesagt war das Mädchen eine furchtbare Tänzerin. Sogar Mitch, der von Ballett weniger Ahnung hatte als von Atomphysik, konnte das erkennen.
Aber ihm war egal, wie unbeholfen sie war. Er dachte nur, dass sie das süßeste Mädchen war, das er je gesehen hatte. Sie war mit Leib und Seele bei der Sache.
Als die Stunde aus war, verschwand sie, und er dachte nach einiger Zeit schon, dass sie sich mit ihren Freundinnen auf den Heimweg gemacht hatte.
„Hey, Mitch.“ Er schaute auf, und da stand sie. Nur ein paar Meter von ihm entfernt, die lila Jacke über dem Arm, den Rucksack über der Schulter. „Weil du da bist, habe ich Mrs Lu Bescheid gesagt, dass ich bei dir mitfahre.“
Das Glücksgefühl, das ihn auf einmal überkam, erinnerte ihn an Sonnenschein, der die ganze Welt heller machte. „Oh. Toll. Ich würde mich freuen, wenn ich dich mitnehmen darf.“
„Sie hat Mom angerufen – Mrs Lu, meine ich. Obwohl ich ihr gesagt habe, dass es okay ist, wenn ich bei dir mitfahre.“
„Es ist immer gut, auf Nummer sicher zu gehen. Dann bist du so weit?“
Sie ließ ihren Rucksack fallen und zog die Jacke an. Dann schulterte sie den Rucksack wieder. „Jawohl. Du solltest jetzt anrufen.“
„Anrufen?“
Sie grinste. „Na, die Limousine.“
„Darf ich bitte ein Sprite haben?“, fragte sie, sobald sie sich in das lange schwarze Auto gesetzt hatten.
Sie hielt die Dose mit beiden Händen auf den Knien fest. „Ich mag diese Limousine.“
Er hatte schon überlegt, ein Auto zu mieten statt die Limousine auf Abruf bereitstehen zu lassen. Aber jetzt sollte sie ruhig mal die Fahrt genießen. „Mir gefällt sie auch“, meinte er.
Schweigen folgte. Er drehte sich zur Seite, um das Kind anzusehen und bemerkte, dass sie ihn beobachtete. Der Ausdruck in ihren Augen war auf einmal ganz ernst.
Hatte er etwas getan oder etwas gesagt, das sie beunruhigte? Gerade eben hatte sie noch völlig normal gewirkt. „DeDe? Was ist los?“
„Ich habe eine Frage.“ Sie schaute weg und klammerte sich an der Limodose fest wie an einem Rettungsanker.
„Na dann, schieß los.“
Sie schluckte. „Das ist echt schwer …“
„Komm schon. Alles okay. Keine Angst.“
Wieder traf ihn der Blick aus diesen haselnussbraunen Augen. „Also. Gestern Abend, nachdem Mom mir gute Nacht gesagt hat …“
„Ja?“
„Da bin ich noch mal aufgestanden und habe mein Babyalbum herausgeholt – das mit den Bildern von meiner Geburt und von noch früher, weißt du?“
„Ja?“, wiederholte er, obwohl sein Mund auf einmal staubtrocken war und das Herz ihm in der Brust hämmerte.
„Da sind zwei Bilder von meinem Dad drin. Auf einem davon kann man sein Gesicht ganz deutlich erkennen.“
„Sein … Gesicht?“
„Er war viel dünner als du. Und nicht so alt, weißt du?“
„Äh, ja.“
„Und sein Name war Michael. Michael Vakulic.“
„Ja …“
„Aber obwohl er so dünn war und einen anderen Namen hatte, also, er sieht irgendwie aus wie du.“
Jetzt musste er schlucken – und alles, was er herausbrachte, war: „Äh. Ja. Also, ich …“
Und dann stellte sie ihm die Frage: „Mitch, bist du mein Dad?“
Diese Frage, die ihn immer noch überraschte. Er konnte es nicht glauben. Dieses Mädchen – seine Tochter – war wirklich clever.
Sie musterte ihn nervös und besorgt. „Wird dir jetzt schlecht?“
„Ich … Nein. Ernsthaft. Mir geht es gut“, versicherte er ihr stockend.
Sie glaubte ihm kein Wort. „Du siehst aber nicht gut aus.“
„Du … du hast mich einfach überrumpelt. Das ist alles.“
Schweigen. DeDe drückte ihre Limodose an sich und wartete. Es gab ungefähr eine Million Dinge, die Mitch ihr sagen musste. Aber er konnte nur dasitzen, überrascht und überwältigt. Die ganze letzte Nacht und den ganzen Tag hatten sich seine Gedanken nur um die eine große Frage gedreht: Wie konnte er ihr sagen, wer er war?
Und jetzt … war die Frage beantwortet. Er musste es ihr nicht sagen. Sie hatte es ganz alleine herausgefunden.
Das Mädchen war unglaublich – und ihm ungefähr tausend Meilen voraus.
Schließlich fragte sie ganz leise und schüchtern: „Also, bist du jetzt mein Dad?“
Ihm war klar, dass es irgendetwas Bedeutungsvolles und Perfektes gab, das er sagen konnte. Sagen sollte. Wenn er nur nicht so überwältigt wäre. Die Sekunden verstrichen.
Am Ende sagte er ganz einfach die Wahrheit. „Ja, das bin
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